Die Königin der Weißen Rose
mich voller Mitleid an und schüttelt den Kopf über mich.
Meine Mutter wirft einen wissenden Blick auf mich und sagt: «Es geht ihr gut. Sie wird schon wieder essen.»
Meine Schwestern fragen mich flüsternd, ob ich mich nach dem gutaussehenden König verzehre, und ich sage spitz: «Das hätte ja wohl keinen Zweck.»
Und doch warte ich.
Ich warte noch weitere sieben Nächte und sieben Tage, wie die Maid im Märchen in ihrem Turm, wie Melusine, die in der Waldquelle badet und darauf wartet, dass ein Ritter den verlassenen Weg dahergeritten kommt und sich in sie verliebt. Jeden Abend hole ich den Faden ein Stück weiter ein, und am achten Tag schlägt leise Metall gegen Stein, und ich schaue ins Wasser und sehe etwas Goldenes aufblitzen. Ich bücke mich, um es herauszuziehen. Es ist ein Ring aus Gold, schlicht und schön. Eine Seite ist glatt, doch die andere ist zu Zacken geschmiedet, wie die Zacken einer Krone. Ich lege ihn in die Handfläche, auf die der König einen Kuss gedrückt hat, und der Ring sieht aus wie eine kleine Krone. Ich stecke ihn mir an den Finger der rechten Hand – ich will kein Unglück heraufbeschwören, indem ich ihn mir an die linke Hand stecke, die für den Ehering –, er passt und steht mir gut. Achselzuckend streife ich ihn ab, als wäre er nicht aus Gold, in Burgund geschmiedet und von erlesener Qualität. Ich verwahre ihn wohl in meiner Tasche und gehe nach Hause.
Und dort steht – ohne Vorwarnung – ein Pferd vor der Tür, und ein Reiter sitzt aufrecht darauf, eine Standarte hoch über sich, die weiße Rose von York entfaltet sich im Wind. Mein Vater steht in der offenen Tür und liest einen Brief. Ich höre, wie er sagt: «Sagt Seiner Gnaden, es sei mir eine Ehre. Ich werde übermorgen dort sein.»
Der Mann verbeugt sich im Sattel, wirft mir einen lässigen Gruß zu, treibt sein Pferd an und reitet davon.
«Was war das?», frage ich, während ich die Stufen hinaufsteige.
«Ein Ruf zu den Fahnen», erwidert mein Vater grimmig. «Wir müssen alle wieder in den Krieg ziehen.»
«Aber doch nicht du!», sage ich voller Angst. «Nicht du, Vater. Nicht noch einmal.»
«Nein, ich nicht. Doch der König befiehlt mir, zehn Männer aus Grafton und fünf aus Stony Stratford zur Verfügung zu stellen, zum Marschieren ausgerüstet, um unter seinem Kommando gegen den lancastrianischen König zu ziehen. Wir müssen die Seiten wechseln. Es erweist sich jetzt, dass das ein teures Essen war, zu dem wir ihn eingeladen haben.»
«Wer wird sie anführen?» Ich habe schreckliche Angst, dass er sagen wird, meine Brüder. «Doch nicht Anthony? Oder John?»
«Sie sollen unter Sir William Hastings dienen», antwortet er. «Er wird sie in seine gut ausgebildeten Truppen stecken.»
Ich zögere. «Hat er sonst noch etwas ausgerichtet?»
«Dies ist ein Ruf zu den Fahnen», entgegnet mein Vater gereizt, «keine Einladung zu einem Maifrühstück. Selbstverständlich hat er nur gesagt, dass sie am Morgen durchkommen, übermorgen, und dass die Männer bis dahin bereit sein müssen.»
Er dreht sich auf dem Absatz um, geht ins Haus und lässt mich allein mit dem goldenen Ring, der wie eine Krone geschmiedet ist und in meiner Tasche sticht.
Meine Mutter meint beim Frühstück, meine Schwestern und ich und die beiden Cousinen, die bei uns leben, hätten vielleicht Lust, die Armee vorbeimarschieren zu sehen und dabei zu sein, wenn unsere Männer in den Krieg ziehen.
«Ich wüsste nicht, wozu das gut sein soll», meint mein Vater verärgert. «Ich glaube doch, sie haben genug Männer in den Krieg ziehen sehen.»
«Es macht sich gut, unsere Unterstützung kundzutun»,erwidert sie ruhig. «Wenn er gewinnt, ist es besser für uns, wenn er denkt, wir schickten die Männer bereitwillig. Wenn er verliert, wird niemand sich daran erinnern, dass wir zugesehen haben, wie er vorbeimarschiert ist, und wir können es leugnen.»
«Ich bezahle sie, oder? Ich rüste sie mit dem aus, was ich habe. Mit den Waffen, die ich noch übrig habe vom letzten Mal, als ich ausgezogen bin, und das war zufällig gegen ihn. Ich ziehe sie zusammen und schicke sie hinaus und kaufe denen, die keine haben, auch noch Stiefel. Ich denke doch, dass ich damit meine Unterstützung ausreichend kundtue!»
«Dann sollten wir es bereitwillig tun», sagt meine Mutter.
Er nickt. In solchen Dingen gibt er meiner Mutter immer nach. Sie war eine Herzogin, verheiratet mit dem Duke of Bedford, einem Herzog von königlichem Geblüt, wogegen mein
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