Die Königin der Weißen Rose
er einen Mann getroffen hat, der ihm alles erzählt hat. Es muss eine schrecklich blutige Schlacht gewesen sein. Ich zögere in der Tür; ich will den Ausgang erfahren, nicht die Einzelheiten. Ich muss keine Schlacht mehr sehen, um mir eine vorstellen zu können; wir haben uns in diesem Land an Geschichten von Schlachtfeldern gewöhnt. Jeder hat von Armeen gehört, die Aufstellung zum Kampf genommen haben, oder hat den Angriff gesehen, das Zurückfallen, die erschöpfte Pause, in der sie sich neuformieren. Und jeder kennt jemanden, der in einer Stadt war, in die die siegreichen Soldaten eingefallen sind, um zu zechen, zu plündern und zu vergewaltigen; jeder kennt Geschichten über Frauen, die laut um Hilfe schreiend in einer Kirche Zuflucht gesucht haben. Jeder weiß, dass diese Kriege unser Land auseinandergerissen und unseren Wohlstand vernichtet haben und mit ihm freundliche Beziehungen zwischen Nachbarn, unser Vertrauen gegenüber Fremden, die Liebe zwischen Brüdern, die Sicherheit auf unseren Straßen, die Zuneigung zu unserem König; und doch scheint nichts die Kriege beenden zu können. Wir machen immer weiter, sind auf einen endgültigen Sieg aus, einen triumphierenden König, der uns Frieden bringt, doch es kommt kein Sieg und auch kein Frieden, und die Herrschaft eines Königs ist niemals endgültig gesichert.
Anthonys Bote kommt zum Punkt: König Edwards Armee hat überlegen gewonnen. Die lancastrianischen Streitkräfte wurden vernichtend geschlagen, und König Henry, der arme, umherirrende König Henry, der nicht so recht weiß, wo er ist, selbst wenn er sich in seinem Palast in Westminster aufhält, ist in die Moore von Northumberland geflüchtet. Auf seinen Kopf wurde ein Preis ausgesetzt, als wäre er ein Vogelfreier, ohne Bedienstete, ohne Freunde, selbst ohne Gefolgsmänner, wie ein rebellischer Grenzbewohner, wie eine wilde Dohle.
Seine Frau, Königin Margarete von Anjou, einst die beste Freundin meiner Mutter, ist mit dem Prinzen, ihrem Erben, nach Schottland geflohen. Sie ist geschlagen, ihr Gatte bezwungen. Doch jeder weiß, dass sie ihre Niederlage nicht hinnehmen wird, sie wird Intrigen und Ränke für ihren Sohn schmieden, genau wie Edward mir erklärt hat, dass ich Intrigen und Ränke für unseren Sohn schmiedenmuss. Sie wird erst damit aufhören, wenn sie wieder in England ist und die nächste Schlacht schlagen kann. Sie wird erst aufhören, wenn ihr Gatte und ihr Sohn tot sind und sie niemanden mehr hat, den sie auf den Thron setzen kann. Das heißt es, heute in diesem Land Königin von England zu ein. So ist es für sie seit fast zehn Jahren, seit ihr Gemahl nicht mehr regieren kann. Seitdem verhält sich das ganze Land wie ein verschreckter Hase, der auf der Flucht vor der Meute im Zickzack Haken schlägt. Schlimmer noch, ich weiß, dass es auch für mich so kommen wird, falls Edward zu mir nach Hause zurückkehrt, mich zur neuen Königin ernennt und wir einen Sohn und Erben haben. Der junge Mann, den ich liebe, wird König eines unsicheren Königreichs sein, und auch meine Position als Königin wird nie sicher sein.
Er kommt tatsächlich. Er schickt mir Nachricht, dass er die Schlacht gewonnen hat, dass die Belagerung von Bamburgh Castle erfolgreich war und dass er vorbeikommt, wenn seine Armee nach Süden marschiert. Er kommt zum Essen, schreibt er meinem Vater und kritzelt eine private Notiz an mich, dass er über Nacht bleiben wird.
Ich zeige meiner Mutter die Notiz. «Du kannst Anthony sagen, dass mein Gatte mir treu ist», sage ich.
«Ich sage Anthony gar nichts», entgegnet sie wenig hilfsbereit.
Mein Vater bringt es immerhin über sich, sich über die Aussicht auf einen Besuch des Siegers zu freuen. «Wir haben recht daran getan, ihm unsere Männer zur Verfügung zu stellen», sagt er zu meiner Mutter. «Wie gut, dass du darauf bestanden hast, meine Liebe. Er ist der siegreiche König, und du hast wieder einmal dafür gesorgt, dass wir auf der Seite des Siegers sind.»
Sie lächelt ihn an. «Es hätte so oder so ausgehen können,wie immer», meint sie. «Und es ist Elizabeth, die ihm den Kopf verdreht hat. Er kommt, um sie zu sehen.»
«Haben wir gut abgehangenes Fleisch?», fragt er. «John und die Jungen und ich gehen mit den Falken auf die Jagd und besorgen dir ein wenig Wild.»
«Wir tischen gutes Essen auf», versichert sie ihm. Doch sie sagt meinem Vater nicht, dass er noch mehr Grund zum Feiern hat: weil der König von England mich geheiratet hat. Sie schweigt
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