Die Königin der Weißen Rose
Gesicht, als lutsche er Zitronen. Hinter vorgehaltener Hand lache ich darüber, dass wir ihn bezwungen haben und er uns unterlegen ist. Und wiege mich in Sicherheit vor seinem Ehrgeiz und seiner Heimtücke.
SOMMER 1469
Ich habe mich getäuscht, schwer getäuscht, wir sind nicht mächtig genug. Ich hätte vorsichtiger sein sollen. Ich habe nicht nachgedacht, ausgerechnet ich, die ich so viel Angst vor Warwick hatte, noch bevor ich ihn kennengelernt habe, hätte seinen Neid und seine Feindseligkeit bedenken sollen. Ich habe nicht vorhergesehen – und ich hätte es vorhersehen müssen –, dass sich Warwick und Edwards verbitterte Mutter zusammentun und einen anderen Sohn aus dem Hause York auf den Thron setzen würden, anstelle des Jungen, den sie zuerst ausgesucht hatten. Dass der Königsmacher einen neuen König machen würde.
Ich hätte mich vor Warwick fürchten müssen, als meine Familie ihn aus seinen Ämtern drängte und die Ländereien übernahm, auf die er womöglich selbst ein Auge geworfen hatte. Ich hätte auch sehen müssen, dass George, der junge Duke of Clarence, ihn einfach interessieren musste. George ist ein York wie Edward, aber formbar, leicht in Versuchung zu führen und vor allem unverheiratet. Warwick hat Edward und mich nicht aus den Augen gelassen und beobachtet, wie unsere Stärke und unser Reichtum zunahmen, und er hat sich gedacht, dass er vielleicht einen anderen König machen kann, einen, der mehr auf ihn hört.
Drei schöne Töchter haben wir, eine von ihnen geradeerst geboren, und wir hoffen mit wachsender Unruhe auf einen Sohn, da hört Edward von einem Rebellen in Yorkshire, der sich Robin nennt. Robin of Redesdale, ein phantasievoller Name, der nichts bedeutet, ein unwichtiger Rebell, der sich hinter einem sagenumwobenen Namen versteckt, der Truppen aushebt, meine Familie verleumdet und Freiheit und Gerechtigkeit verlangt und den üblichen Unsinn, der gute Männer in Versuchung führt, ihre Felder zu verlassen, um in den Tod zu gehen. Edward schenkt ihm zunächst wenig Aufmerksamkeit, und ich denke mir dummerweise überhaupt nichts dabei. Edward reist mit meiner Familie, meinen Söhnen Richard und Thomas Grey, und mit seinem jüngeren Bruder Richard durch das Land, um sich den Menschen zu zeigen und Gott zu danken, und ich reise ihm mit den Mädchen entgegen. Wir schreiben uns täglich, aber wir denken so wenig an den Aufstand, dass wir ihn in unseren Briefen gar nicht erwähnen.
Selbst als mein Vater bemerkt, dass diese Männer von jemandem bezahlt werden – sie sind nicht mit Mistgabeln bewaffnet, sie tragen gute Stiefel, und sie marschieren in Reih und Glied –, schenke ich ihm keine Aufmerksamkeit. Als er ein paar Tage später sagt, dass diese Männer jemandem gehören müssen, also Bauern, Pächter oder Vasallen sind, die ihrem Lord den Lehenseid geleistet haben, höre ich nicht auf seine weisen Worte. Selbst als er mich darauf aufmerksam macht, dass kein Mann seine Sense in die Hand nimmt, um in den Krieg zu ziehen, sondern dass ihm sein Lord den Befehl dazu geben muss, kümmert es mich nicht. Als mein Bruder John bemerkt, dass dies Warwicks Land sei und dass die Rebellen aller Wahrscheinlichkeit nach von Warwicks Männern aufgestellt werden, denke ich mir immer noch nichts dabei. Ich habe eine neugeborene Tochter, und meine Welt dreht sich um ihre geschnitzte,goldverzierte Wiege. Wir reisen durch Südwestengland, wo wir geliebt werden, der Sommer ist schön, und falls ich einmal zum Nachdenken komme, denke ich, dass die Rebellen wahrscheinlich bald nach Hause zurückkehren, um die Ernte einzubringen, und sich die Unruhen dann von selbst legen.
Sorgen mache ich mir erst, als mein Bruder John mit ernstem Gesicht zu mir kommt und schwört, dass Hunderte, vielleicht Tausende Männer unter Waffen stehen und dass es der Earl of Warwick sein müsse, der seiner alten Beschäftigung nachgehe, Unheil zu stiften, weil niemand sonst so viele Männer anheuern könne. Warwick spielt wieder den Königsmacher. Das letzte Mal hat er Edward an Henrys Stelle gesetzt; dieses Mal beabsichtigt er, George of Clarence, den Bruder des Königs, den unbedeutenden Sohn, an die Stelle meines Gatten Edward zu setzen. Und damit auch mich und die Meinen zu verdrängen.
Wie vereinbart treffen Edward und ich uns in Fotheringhay. Er ist schweigsam und zornig. Wir wollten uns eine Zeitlang in dem schönen Haus und den hochsommerlichen Gärten erholen, und danach hatten wir einen feierlichen Einzug
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