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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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auf die Füße. Ich weiß nicht, wen ich eigentlich erwartet habe, vielleicht den Earl of Warwick höchstpersönlich mit einem Scheiterhaufen, auf dem er meine Mutter und mich verbrennen will. Aber es ist der Bürgermeister von Norwich, der mich erst vor ein paar Tagen mit großem Prunk empfangen hat.
    «Euer Gnaden, ich bringe dringende Nachrichten», sagt er. «Schlechte Nachrichten. Es tut mir leid.»
    Ich atme tief durch, um mich zu beruhigen. «Sprecht.»
    «Es geht um Euren Vater und Euren Bruder.»
    Ich weiß, was er gleich sagen wird. Nicht, weil ich es vorhersagen könnte, sondern weil sein rundes Gesicht vor Sorge über die Schmerzen, die er mir zufügen muss, ganz faltig ist. Ich weiß es, weil sich die Männer hinter ihn stellen. Verlegen wie Menschen, die sehr schlechte Nachrichten überbringen. Ich weiß es, weil sich meine eigenen Hofdamen traurig seufzend hinter meinen Stuhl stellen.
    «Nein», widerspreche ich. «Nein. Sie wurden gefangengenommen. Sie sind im Gewahrsam ehrenwerter Engländer. Wir müssen Lösegeld für sie zahlen.»
    «Soll ich Euch allein lassen?», fragt er und sieht mich an, als sei ich krank. Er weiß nicht, was er zu einer Königin sagen soll, die in Glanz und Gloria in seine Stadt eingezogen ist und sie in Gefahr für Leib und Leben verlassen muss. «Soll ich gehen und später wiederkommen, Euer Gnaden?»
    «Sprecht», erwidere ich. «Sagt es mir jetzt, alles, so schlimm es auch sein mag. Ich werde es irgendwie ertragen.»
    Hilfesuchend blickt er zu meinen Damen hinüber, dann sieht er mich aus dunklen Augen an. «Es tut mir leid, Euer Gnaden. Mehr als ich zu sagen vermag. Euer Vater, Earl Rivers, und Euer Bruder, Sir John Woodville, wurden im Kampf gefangen genommen, in einer der vielen Schlachten zwischen neuen Feinden – die Armee des Königs gegen die Armee des Duke of Clarence, des Königs Bruder George. Der Herzog scheint sich mit dem Earl of Warwick gegen Euren Gemahl verbündet zu haben – vielleicht wisst Ihr das bereits? Verbündet gegen Euren gnädigen Gemahl und Euch selbst. Euer Vater und Euer Bruder wurden im Kampf für Euer Gnaden gefangen genommen. Sie wurden hingerichtet. Enthauptet.» Er wirft mir einen schnellen Blick zu. «Sie können nicht gelitten haben», fährt er fort. «Ich bin sicher, dass es schnell gegangen ist.»
    «Die Anklage?» Ich kann nur mit Mühe sprechen. Mein Mund ist taub, als hätte mir jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt. «Sie haben für einen gesalbten König und gegen Rebellen gekämpft. Was konnte man gegen sie vorbringen? Wie könnte die Anklage gelautet haben?»
    Er schüttelt den Kopf. «Sie wurden auf Befehl von Lord Warwick exekutiert», erklärt er leise. «Es hat kein Verfahrengegeben, keine Anklage. Es scheint, als sei Lord Warwicks Befehl jetzt Gesetz. Er ließ sie ohne Verfahren und Verurteilung enthaupten. Ohne Richterspruch. Soll ich Euch nach London begleiten lassen? Soll ich ein Schiff für Euch vorbereiten lassen? Wollt Ihr auf den Kontinent übersetzen?»
    «Ich muss nach London», entgegne ich. «London ist die Hauptstadt meines Königreichs. Ich bin keine fremde Königin, die nach Frankreich eilt. Ich bin Engländerin. Ich lebe hier, und hier werde ich sterben.» Ich berichtige mich. «Ich lebe hier, und hier werde ich kämpfen.»
    «Darf ich Euch mein tiefstes Beileid aussprechen? Euch und dem König?»
    «Habt Ihr Nachrichten vom König?»
    «Wir hatten gehofft, Euer Gnaden könnten uns beruhigen.»
    «Ich habe nichts von ihm gehört», lüge ich. Von mir werden sie nicht erfahren, dass der König in Middleham Castle gefangen gehalten wird, dass wir besiegt sind. «Ich werde heute Nachmittag abreisen, innerhalb von zwei Stunden, gebt Bescheid. Ich reite nach London, um mein Anrecht auf die Stadt durchzusetzen und danach meinen Anspruch auf England. Mein Gemahl hat noch nie eine Schlacht verloren. Er wird seine Feinde besiegen, die Verräter zur Rechenschaft ziehen und Gerechtigkeit walten lassen.»
    Er verbeugt sich, sie verbeugen sich alle und gehen rückwärts hinaus. Ich sitze auf meinem Stuhl wie eine Königin, der goldene Thronhimmel prangt über meinem Haupt, bis sich die Tür hinter ihnen geschlossen hat. Dann bitte ich meine Damen: «Lasst mich allein. Bereitet alles für unsere Abreise vor.»
    Sie schwirren umher, sie zögern. Sie wollen bei mir bleibenund zärtlich zu mir sein, aber als sie mein grimmiges Gesicht sehen, lassen sie davon ab und verschwinden. Ich bleibe allein in dem

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