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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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fliehenden Yorkisten verschwunden sind. Erst dann merkt der Earl, dass seine Männer wegrennen, dass sie auf die Bierschenken von Barnet zusteuern. Schon werden sie langsamer und kommen ins Traben, wischen die Schwerter ab und prahlen von ihrem Sieg. Er muss um sie herumgaloppieren und ihnen mit seinem Pferd den Weg abschneiden. Er muss sie peitschen, er muss seine Unteroffiziere fluchend auf sie loslassen und sie zur Umkehr nötigen. Erst als er sich weit aus dem Sattel lehnt und einem seiner eigenen Männer laut fluchend ins Herz sticht, bringt er sie zum Halten.
    «Die Schlacht ist noch nicht vorbei, ihr Hurensöhne!», brüllt er außer sich vor Wut. «York lebt, genau wie sein Bruder Richard und der Überläufer, der andere Bruder, George! Wir haben geschworen, dass die Schlacht erst mit ihrem Tod endet! Auf! Auf! Ihr habt Blut geleckt, ihr habt sie fliehen sehen. Auf, macht sie fertig, kommt zurück und räumt mit dem Rest auf. Denkt an eure fette Beute! Sie sind fast geschlagen, sie sind verloren. Jetzt bringen wir den Rest zum Hakenschlagen. Auf, Männer, auf! Wir wollen sie rennen sehen wie die Hasen!»
    Zur Ordnung gerufen und in Reihen aufgestellt, machen die Männer kehrt. Der Earl treibt sie von Barnet zurück zur Schlacht, stolz weht seine Standarte mit demEmblem der strahlenden Sonne hoch vor ihm her. Im Nebel kann er nichts sehen, aber er setzt alles daran, zu Warwick vorzustoßen, der jedem Mann an seiner Seite reiche Beute versprochen hat. Doch als er seine Truppe von neunhundert Mann zurückzwingt, weiß der Earl of Oxford nicht, dass die Schlachtformation umgeschwenkt ist. Das Durchbrechen des rechten Yorkistenflügels und das gleichzeitige Vorwärtsdrängen der Yorkisten an der linken Seite hat die Schlachtfront vom Kamm herunter auf die Straße nach London verlagert.
    Edward ist noch immer im Mittelpunkt des Ganzen, aber er merkt, dass er Boden verliert, er fällt immer weiter hinter die Straße zurück, je mehr Warwicks Männer den Druck erhöhen. Schon spürt er die drohende Niederlage, und das ist ihm neu: Sie fühlt sich an wie Angst. Er kann nichts sehen in der Dunkelheit und im Nebel, nur Angreifer, einen nach dem anderen, wie sie aus dem Nebel auftauchen. Er reagiert auf den Ansturm der Männer, die auf ihn zurasen, mit blindem Instinkt, mit dem Schwert, mit der Axt.
    Er denkt an seine Frau und seinen kleinen Sohn, die auf ihn warten, die von seinem Sieg abhängen. Er hat keine Zeit, sich auszumalen, was passieren wird, wenn er hier scheitert. Er spürt, dass seine Soldaten um ihn herum zurückweichen, als würden sie vom schieren Druck von Warwicks überzähligen Männern weggeschoben. Er spürt, wie er unter dem unaufhaltsamen Ansturm der Feinde müde wird, unter dem andauernden Schlagen, Stoßen, Stechen. Er muss töten – oder wird selbst getötet. Noch hält er stand, ganz kurz sieht er seinen Bruder Richard, fast eine Vision, so hell erscheint er ihm, wie er zuschlägt und zusticht, immer und immer weiter, obwohl sein Schwertarm sicher müde ist und bald erlahmen wird. Vor seinemgeistigen Auge steht ein Bild von Richard, wie er allein auf dem Schlachtfeld steht, ohne ihn, wie er sich umdreht, um dem Feind entgegenzutreten, ohne einen Freund an seiner Seite. Das versetzt ihn in Rage, und er brüllt: «York! Für Gott und York!»
    Der Earl of Oxford, der seine Truppe vor sich hertreibt, gibt den Befehl zum Angriff, als er vor sich die Schlachtreihe sieht. Er will die Männer von hinten in die Yorkfront vorstoßen lassen, wo er vernichtend zuschlagen will, wenn sie aus dem Nebel auftauchen, wie frische lancastrianische Verstärkung, grauenvoll wie ein Hinterhalt. In der Dunkelheit stürmen sie voran, die gezückten Schwerter und blutverkrusteten Waffen kampfbereit. Aber sie stoßen nicht auf die Rückfront der Yorkisten, sondern in die eigene Armee, in die Lancaster-Formation, die sich in der Schlacht gewendet hat und jetzt den Hügel heruntergekommen ist.
    «Verräter! Verrat!», brüllt ein Mann, der hinterrücks erstochen wird, als er sich umsieht und dem Earl of Oxford ins Auge blickt. Ein lancastrianischer Offizier wirft einen Blick über die Schulter und wird Zeuge dessen, was Soldaten auf dem Schlachtfeld am meisten fürchten: frische Soldaten, die von hinten auf sie zustürmen. Im Nebel kann er die Standarte nicht genau erkennen, aber er ist überzeugt, dass es die Sonne im Strahlenkranz ist, die Standarte Yorks, die stolz über den frischen Nachschubtruppen flattert, die die

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