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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Straße von Barnet hochgelaufen kommen, mit vorgehaltenen Schwertern und locker schwingenden Streitäxten, die Münder weit aufgerissen zum Kampfgeheul des übermächtigen Angriffs. Die Standarte der strahlenden Sonne von Oxford hält er für die yorkistische Standarte – so wie er die Soldaten für Yorkisten hält. Sie bedrängen sie hart, sie kämpfen wie Männer, die nichts zuverlieren haben. Doch es kommen immer mehr aus dem Nebel, kommen von hinten heran wie eine Geisterarmee, mehr, als ein Mann aushalten kann.
    «Kehrt um! Kehrt um!» Ein panischer Schrei, und eine andere Stimme brüllt: «Neu formieren! Neu formieren! Fallt zurück!» Die Befehle sind richtig, aber die Stimmen sind voller Grauen, und die Männer wenden sich ab von dem yorkistischen Feind vor ihnen, um sich von hinten mit einer anderen Truppe konfrontiert zu sehen. Sie erkennen ihre Verbündeten nicht. Sie glauben, von einem übermächtigen Feind umgeben zu sein, des Todes sicher, und plötzlich verlässt sie all ihr Mut.
    «Für Lancaster!», ruft der Earl of Oxford, als er seine Männer die eigene Seite angreifen sieht. «Für Lancaster! Haltet ein! Im Namen Gottes, haltet ein!» Doch es ist zu spät. Wer jetzt die Standarte Oxfords mit der strahlenden Sonne erkennt und dahinter den Earl of Oxford erblickt, der inmitten all der Verwirrung Männer niedermacht und seinen Soldaten brüllend Befehle erteilt, der denkt, der Earl of Oxford sei mitten in der Schlacht zum Verräter geworden. Die ihm am nächsten stehen, seine alten Freunde, fallen ihn an wie tollwütige Hunde. Sie töten ihn wie einen, der schlimmer ist als ihr Feind – ein Überläufer auf dem Schlachtfeld. Im Nebel und Chaos wissen die meisten Lancastrianer nur, dass von vorn ein unbekannter Feind mit seinen Geistersoldaten herandrängt und dass von hinten ein frisches Bataillon nachrückt. Im nebligen Dunkel könnten noch mehr Männer versteckt sein. Wer weiß, wie viele Soldaten sich aus dem Fluss erheben werden? Wer weiß, welches Grauen Edward, der Gemahl einer Hexe, aus Flüssen, Quellen und Bächen herbeizaubern kann? Sie hören das Schlachtgetümmel und die Schreie der Verwundeten, aber sie sehen ihre Lords nicht. Wo sind ihreFeldherren? Wieder verlagert sich das Schlachtgeschehen. Im unheimlichen Zwielicht können sie sich ihrer Kameraden nicht sicher sein. Hunderte werfen die Waffen weg und rennen los. Jeder weiß, dass in dieser Schlacht keine Gefangenen gemacht werden. Aufseiten der Verlierer zu sein, bedeutet den sicheren Tod.
    Edward, der neben William Hastings im Zentrum des Schlachtgetümmels Männer absticht und aufschlitzt, der sein Schwert vor sich hält, die Streitaxt in der anderen Hand, brüllt: «Sieg für York! Sieg für York!» Seine Soldaten hören auf diesen mächtigen Ruf – und die Lancastrianer auch. Von vorne werden sie aus der Dunkelheit angegriffen und von hinten aus dem Nebel. Sie sind führerlos. Warwick hat nach seinem Knappen gerufen, sich auf sein Pferd geworfen und ist in gestrecktem Galopp geflohen.
    Auf dieses Zeichen hin löst sich die Schlacht auf. «Mein Pferd!», schreit Edward zu seinem Knappen hinüber. «Bring mir Fury!» William hilft seinem König aufs Pferd, dann packt er sein eigenes Schlachtross am Zügel und hievt sich hinauf, um hinter seinem Herrn und Meister, seinem besten Freund, herzurasen. Überstürzt folgen die yorkistischen Lords Warwicks Fährte, laut fluchend, dass er ihnen entkommen konnte.

    Meine Mutter richtet sich seufzend auf, und wir schließen das Fenster. Wir sind blass von der Nachtwache. «Es ist vorbei», sagt sie mit Gewissheit. «Dein erster und gefährlichster Feind ist tot. Warwick wird keine Könige mehr machen. Er wird sich dem Himmelskönig stellen und ihm erklären müssen, was er diesem armen Königreich hier unten angetan hat.»
    «Sind meine Söhne in Sicherheit?»
    «Dessen bin ich sicher.»
    Meine Finger sind gekrümmt wie die Krallen einer Katze. «Und George, Duke of Clarence?», will ich wissen. «Was ist mit ihm? Sag mir, dass er auf dem Schlachtfeld geblieben ist!»
    Meine Mutter lächelt. «Er ist auf der Seite des Siegers, wie immer», antwortet sie. «Dein Edward hat die Schlacht gewonnen, und der loyale George ist an seiner Seite. Du wirst George den Tod deines Vaters und Bruders verzeihen müssen. Ich muss meine Rache Gott überlassen. George mag noch leben. Schließlich ist er der Bruder des Königs. Würdest du einen Prinzen töten? Könntest du dich überwinden, einen Prinzen

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