Die Koenigin der Wolle
wärst du noch empörter.” Er drehte sich mit ihr im Kreis. Es sah aus, als würde ein großer Junge mit einer Puppe spielen.
„Schuft.”
„Ich liebe dich auch.” Duncan setzte seine Schwester wieder auf dem Boden ab und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Er wartete noch kurz, bis sie die Sachen für ihre Mutter zusammengesucht hatte, legte das Geld auf den Tresen und verschwand gutgelaunt.
„Duncan ist ein echtes Herzchen, stimmt’s?” Rosalind lehnte sich neben Alexander an das Regal und grinste verschmitzt. „Was ist los? Warum schaust du, als hättest du einen Geist gesehen?”
„Alles in Ordnung. Er ist echt sehr groß, dein Bruder. Verdammt groß. Würdest du mich bitte entschuldigen? Ich brauche ein bisschen frische Luft.”
***
Alexander verbrachte die nächsten beiden Stunden mit einem ausgedehnten Stadtbummel. Dabei kam ihm eine Frage in den Sinn, die er nicht mehr los wurde. Wenn man sich gerade erst wegen Sex gestritten hatte, war dann der vielgepriesene Versöhnungssex ausgeschlossen? Er legte diesen Gedanken beiseite, als Duncan Fielding ihm vor seinem inneren Auge erschien, wütend und mit geballten Fäusten. Lieber nichts riskieren... Stattdessen schaute er sich nach einem neuen Anzug für die diesjährige Buchpreisverleihung um. Lydia hatte ihn nach der letzten Gala dezent darauf hingewiesen, dass die komplette Riege der britischen Autoren diesen Anzug inzwischen seit Jahren kannte und er ruhig mal für etwas Abwechslung sorgen könne. Nun suchte er notgedrungen nach einem moderneren Modell - für den Fall, dass er tatsächlich wieder einmal gewinnen sollte. Ob er Rosalind soweit milde stimmen konnte, dass sie ihn auf die Verleihung begleiten würde? Über diese Frage und seinen Weg zu einer positiven Antwort dachte er noch nach, als er später an Rosalinds Küchentisch über seinem Laptop brütete. Lydia hatte ihm geraten (ihn angewiesen, traf es wohl eher), sich im Internet die aktuellen Kollektionen der Designer anzusehen und zu kaufen, was ihm gefiel. Ein recht schwieriges Unterfangen, wenn man diese Anzüge nur an gestählten Metrosexuellen unter dreißig zu sehen bekam und sich dann den eigenen Körper statt deren Sixpack vorstellen sollte.
„Was schaust du dir da Hübsches an?” Rose stand hinter ihm, legte ihre Hände auf Alexanders Schultern und spähte über seinen Kopf hinweg auf den Monitor.
„Ich suche einen neuen Anzug für die Preisverleihungen und Partys, die demnächst anstehen. Ich wurde angemahnt, nicht wieder in meinem üblichen alten Fetzen aufzutreten.”
„Aha.” Rose schüttelte langsam den Kopf. „Dann würde ich aber keinen Tweed nehmen. Versteh’ mich nicht falsch - ich liebe Tweed, aber das Muster ist zu leicht wiederzuerkennen. Wenn du etwas Neutrales suchst, konzentriere dich auf schwarz und grau. Das wirkt dann je nach Hemd und Krawatte immer etwas anders.” Ihre Hände glitten auf seine Brust und strichen über den Stoff seines Hemdes.
Sollte das der Beginn einer Stimmungsaufhellung sein? Alexander schloss seine Augen und genoss die Streicheleinheiten. In Notzeiten musste man nehmen, was man kriegen konnte.
„Wirst du Preise für dein Buch gewinnen?”
„Kann sein. Die Chancen stehen angeblich nicht schlecht”, antworte er gleichgültig. „Ich mag diese Veranstaltungen nicht. Man steht da allein herum, röchelt sich entweder selbst eine Dankesrede heraus oder muss pausenlos anderen Autoren gratulieren. Danach hält man sich dann in irgendeiner Ecke an einem Champagnerglas fest und zählt die Minuten, bis man endlich verschwinden kann. Grauenhaft.”
Rose küsste ihn auf die Schläfe. „Klingt nicht sehr nett. Ich trinke nicht, also hätte ich nicht mal was, an dem ich mich festhalten könnte. Ich bräuchte also unbedingt eine Begleitung.” Ein weiterer Kuss, diesmal auf die Wange.
„Bräuchte ich auch. Aber woher nehmen?”
„Du bist nicht zufällig gerade dabei, mich auszumanövrieren?” Rosalinds Fingerspitzen glitten unter die Knopfleiste seines Hemdes.
Alex gab sich Mühe, weiter gleichmäßig zu atmen. „Möglich. Hätte ich denn Erfolg, wenn ich dich bitten würde, mich zu begleiten?” fragte er tonlos.
„Würdest du mir denn versprechen, brav zu sein?”
„Ich würde so brav sein, dass du mich nicht wiedererkennen würdest. Ein Mönch wäre ein sündiger Lustmolch gegen mich. Ehrenwort.” Er legte seinen Kopf in den Nacken und wartete auf weitere Liebesbekundungen.
„Hättest du mich denn gern als
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