Die Koenigin der Wolle
Begleiterin zu dieser Verleihung?” erkundigte sich Rosalind unschuldig, während sie Alexanders oberste Hemdknöpfe öffnete.
Ein Lächeln schlich sich über sein Gesicht. „Ich habe es mir gewünscht, wusste aber nicht, ob ich dich fragen sollte. Bist du Hellseherin oder gute Fee?”
„Schau’ mich an, ich bin der Kobold aus dem Märchen. Wir kennen die Gedanken unserer Mitmenschen”, entgegnete Rosalind und setzte sich auf seinen Schoß. „Außerdem war deine Taktik nicht gerade schwer zu durchschauen. Dein Detektiv wäre damit jämmerlich abgesoffen, mein Schöner.”
„Entschuldige. Mein Auftritt heute war nicht gerade eine Glanzleistung. Ich weiß ja nicht, ob es mich rehabilitiert, aber ich habe mich danach geschämt wie ein kleiner Junge”, brachte Alex unvermittelt hervor. Dabei zog er mit seinen Fingerspitzen die Konturen ihres Gesichts nach.
„Entschuldigung angenommen. Du hast unwissentlich die beiden Punkte erwischt, bei denen ich keinen Spaß verstehe - den Laden und meine Privatsphäre. Beides gehört nicht zusammen. Und meine Kunden hat nicht zu interessieren, wann ich wie oft mit wem schlafe. Thema beendet.”
Alexander stimmte bereitwillig zu. „Thema beendet.”
„Wann findet diese Preisverleihung denn statt?”
„In zwei Wochen. Eigentlich ist das nur die erste von drei wichtigen Veranstaltungen. Dazu kommen dann noch die Partys, zu denen alle möglichen Autoren eingeladen werden. In den vergangenen Jahren habe ich mich meistens davor gedrückt. Lydia ist, nun ja, nicht gerade die ideale Begleitung für diese Anlässe. Außerdem war ich seit Ewigkeiten nicht mehr nominiert.”
Rosalind stutzte. „Weshalb ist deine Agentin nicht die richtige Begleiterin für sowas?”
„Sie ist immer eine Spur zu laut. Wenn sie den ersten Champagner intus hat, wird’s noch schlimmer. Sie nennt dieses ständige Getratsche Networking. Ich nenne es peinlich und überflüssig. Wir hatten deswegen schon etliche Male Streit, aber sie lässt sich einfach nicht davon abbringen. Der Himmel allein weiß, wie viele Menschen inzwischen meine Zahnpastamarke kennen.” Er schnaubte verächtlich.
„Aha, du glaubst also, ich wäre angenehmer im Umgang mit den Literaturschnöseln?”
Alexander dachte kurz nach. „Bestimmt. Zumindest trinkst du keinen Alkohol, hast du gesagt.”
„Was aber, wenn ich nach jedem Happen vom Büffet rülpse wie ein Landsknecht?” Rosalind stellte die Frage todernst und mit feierlicher Stimme.
„Das”, entgegnete Sterling mit ebenso ernster Miene, „ist vollkommen gleichgültig. Lydia übertönt alle Geräusche mit ihrem Gerede ganz mühelos.”
„Wie überaus erfreulich. Apropos, ich habe ziemlichen Hunger. Lass’ uns gehen.” Rose sprang auf und zog Alex hinter sich her.
Sie ging mit ihm zu ihrer bevorzugten Imbissbude, die nach eigener Aussage die besten Fish&Chips der Stadt servierte. Rose konnte dieser Aussage nur zustimmen und bezeichnete den Imbiss als ihr persönliches gelobtes Land und Retter in der Not, wenn der Kühlschrank mal wieder leer war.
***
Alexander gewöhnte sich rasch daran, zwischen London und Reading zu pendeln. Obwohl Lydia immer wieder einen Grund fand, ihn zu sich ins Büro zu locken, war er nicht mehr willens, die Nächte allein in seiner eigenen Wohnung zu verbringen. Zudem fand er es äußerst inspirierend, sich mit seinem Laptop auf einen der Sessel in der hinteren Ladenecke zurückzuziehen und an seinem Roman zu schreiben. Das Vorbild für seine Romanheldin ständig vor Augen zu haben, beflügelte ihn.
Rosalind war es im Gegenzug ganz lieb, ihren neuen Lebensabschnittsverschönerer in Hörweite zu wissen. Unbeaufsichtigt in ihrer Wohnung war er ihr nicht ganz geheuer. Sie war froh, ihr eigenes Chaos mittlerweile halbwegs unter Kontrolle zu haben - nicht auszudenken, was ein herumstreunender Mittfünfziger dort anrichten würde! Auf die Preisverleihung, die sich in rasantem Tempo näherte, war sie inzwischen sehr gespannt. Sie brannte darauf, die Frau kennen zu lernen, die immer wieder fadenscheinige Gründe erfand, um Alex nach London zu beordern. Oft genug hatte sich herausgestellt, dass sie ihre Problemchen auch am Telefon mit ihm hätte besprechen können. Rosalind hatte also allen Grund zu der Annahme, dass sie nicht die einzige Frau war, die tiefergehendes Interesse an Alexander Sterling hatte.
Gehasst
„Bist du bereit?” Alexander warf seiner persönlichen Königin einen aufmunternden Blick zu. Er
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