Die Koenigin der Wolle
selbst hatte sich mit dem Anzug, den er in letzter Minute gefunden hatte, hübsch gemacht. Rosalind neben ihm hatte ihre Locken hochgesteckt und das smaragdgrüne Seidenkleid angezogen, das sie sich aus dem Stoff, den ein Freund aus Asien mitgebracht hatte, hatte schneidern lassen. Das Grün des Kleides in Kombination mit den feuerroten Locken machte sie zum Blickfang auf dem roten Teppich. Zum ersten Mal in seiner Karriere war der Schriftsteller dadurch einem echten Blitzlichtgewitter ausgesetzt.
„Ich bin sowas von bereit, das glaubst du gar nicht.” Sie strahlte ihn gutgelaunt an. „Ach, falls du gewinnst, tu’ mir bitte den Gefallen und bedanke dich nicht ausgerechnet bei mir. Die ganze Aufmerksamkeit wäre mir unangenehm.”
„Okay, kein Problem. Solange du im Falle des Falles begeistert klatschst und mich anhimmelst, als hätte ich den Literaturnobelpreis gewonnen.”
„Das werde ich”, antwortete Rose, immer noch lächelnd. „Wo ist jetzt eigentlich deine berühmte Lydia?”
Alexander seufzte ergeben. „Wahrscheinlich dort, wo der Champagner ausgeschenkt wird.”
Tatsächlich befand sich einer der Getränkekellner in Gesellschaft einer Frau und ihres leeren Champagnerglases. Alexander steuerte zielstrebig auf die hagere, hoch aufgeschossene Frau zu, die die Vierzig allem Anschein nach schon hinter sich gelassen hatte.
„Lydia, darf ich dir Miss Rosalind Fielding vorstellen?”
„Darfst du. Guten Abend Alex. Guten Abend, Miss Fielding.” Lydia musterte Rosalind von oben bis unten und lächelte dabei, als hätte sie auf einen saueren Drops gebissen.
„Rose, das ist Lydia Goodfellow, meine Agentin.” Alexanders Lächeln bekam etwas Gezwungenes.
„Und gute Freundin”, setzte Lydia hinzu. „Ihr müsst den Champagner probieren. Er ist köstlich.”
„Danke, aber nein danke. Rosalind trinkt keinen Alkohol und ich vertrage das Zeug nicht.”
Lydia schürzte kurz die Lippen, dann zuckte sie mit den Schultern. „Auch gut, dann bleibt mehr für mich.” Damit schnappte sie sich ein gefülltes Glas vom Tablett des Kellners und stellte ihm stattdessen ihr geleertes hin. Eine Sekunde und einen Schluck später erspähte sie einen ihrer Bekannten und brüllte aus Leibeskräften „Robert! Robert!” durch den Raum und verschwand ohne ein weiteres Wort in Richtung eines ergrauten Herrn.
„Du hattest Recht - sie kann sehr laut sein”, bestätigte Rose einem Alexander, der in diesem Moment am liebsten im Erdboden versunken wäre.
Die Preisverleihung selbst war eine eher langatmige Veranstaltung, bei der sich bekannte Autoren selbst oder gegenseitig beweihräucherten. Dass Alexander Sterling nach Jahren der Nichtbeachtung in der Kategorie Bester Kriminalroman gewann, war eine der wenigen Überraschungen. Er bedankte sich dafür bei seinen Lesern, seinem Verlag, seiner Agentin, nicht aber bei seiner Geliebten. Während Rosalind ihm diese Tatsache mit einem zufriedenen Nicken dankte, flog Lydias ungläubiger Blick zwischen dem offensichtlich sehr verliebten Paar hin und her. Bedeutete das etwa, dass die Rothaarige für ihren Alex nur eine harmlose Affäre war und sie sich dessen auch vollkommen bewusst war? Das gab Anlass zur Hoffnung. Ein Strohhalm vielleicht, aber einer, nach dem Lydia Goodfellow nur zu gern griff.
An Rosalind ging Lydias Schmachten völlig vorbei. Sie war selbst viel zu sehr damit beschäftigt, den attraktiven Mann im eleganten Anzug, der sich artig bei allen möglichen Leuten bedankte, anzuhimmeln. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie ihm diesen Anzug, den er in letzter Minute bei einem Herrenausstatter gekauft hatte, direkt nach der Entgegennahme des Preises vom Leib gerissen und ihn zu Boden geknutscht. Zum ersten Mal seit Jahren hatte sie das Gefühl, sich auf einen Mann eingelassen zu haben, der ihr gut tat.
„Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass diese Partys furchtbar sind. Furchtbar langweilig und furchtbar verlogen. Ständig muss man sich von Kollegen auf die Schultern klopfen lassen, die kurz zuvor noch über einen gelästert haben. Das widert mich an. Zu allem Überfluss hat sich Lydia wieder ins Getümmel gestürzt.” Alexander wies mit dem Kopf in die Richtung seiner Literaturagentin. Eine unnötige Geste, denn man konnte Lydia Goodfellow durch den ganzen Saal hören, obwohl die so genannte Aftershow-Party in vollem Gange war.
Rosalind ließ ihre Fingerspitzen an Alex’ Wirbelsäule hinab gleiten. Die Berührung war leicht und sanft,
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