Die Koenigin der Wolle
Lektor habe. Beruhige dich, alter Knabe. Es gibt fast nichts, das man nicht irgendwie wieder geradebiegen könnte.”
Alexander dankte ihm und versprach, am kommenden Abend vorbeizukommen. Sein nächster Anruf galt Lydia.
„Lydia, hi, ich weiß, dass ich mich lange nicht bei dir gemeldet habe. Bist du morgen im Büro?”
„Guten Abend, Alex. Klar, wo sollte ich sonst sein. Bist du wieder im Lande?”
„Bin ich. Eigentlich hatte ich nicht vor, zu bleiben, aber es ist etwas dazwischengekommen. Sieht so aus, als wäre ich wieder dauerhaft in London.”
Lydia atmete erleichtert auf. „Das ist gut. Die vom Verlag fragen trotz Verlängerung immer wieder, ob du an deinem Buch weiter geschrieben hast. Kannst du morgen Vormittag zu mir kommen? Ich möchte gern etwas Wichtiges mit dir besprechen. Ich fürchte, ich habe da eine große Dummheit begangen.” Sie klang kleinlaut und weit entfernt von ihrer sonstigen lauten Art.
Alexander seufzte. „Da sind wir schon zwei. Ach Lydia, kannst du mir verraten, warum man immer erst dann schlauer ist, wenn man die falsche Entscheidung schon getroffen hat?”
Lydia zog die Nase hoch und antwortete gedrückt: „Wenn ich das nur wüsste, Alex. Wenn ich’s nur wüsste.”
Er seufzte erneut und verabschiedete sich. In der Zwischenzeit hatte das Taxi sein Ziel erreicht. Im Schnelldurchgang nahm Alexander sich ein Zimmer für die Nacht und tätigte seinen letzten Anruf an diesem Abend. Die Uhrzeit war ihm dabei völlig egal.
„Guten Abend, Doc. Hier ist Alexander.”
„Guten Abend. Bist du krank?”
„Nein, mir geht es gut. Ich habe nur eine Frage. Erinnerst du dich an meinen letzten Gesundheitscheck? Du hast damals gesagt, ich könne immer noch einen Starautor zeugen. Was ist... was ist...? Ist das tatsächlich möglich?”, druckste er herum. Aber die Frage war falsch gestellt. Er zweifelte ja nicht an, dass er der Vater war. „Ich meine, ist es möglich, dass ein Mann in meinem Alter noch ein vollkommen gesundes Kind zeugt?”
Das Schmunzeln am anderen Ende der Leitung war beinahe hörbar. „Sicher ist das möglich. Es passiert andauernd auf der ganzen Welt. Männer in deinem Alter zeugen ständig gesunde Kinder. Planst du doch noch Nachwuchs?”
„Nein, dafür ist es zu spät. Es ist schon passiert, meine ich. Das Kind soll in ein paar Wochen zur Welt kommen. Ich habe Angst, dass ich... dass meinetwegen etwas nicht stimmen könnte.”
„Glückwunsch, alter Knabe. Was sagen denn die Ärzte? Und wie alt ist die Mutter des Kindes?”
„Danke, Doc. Ein charmanter Zeitpunkt, mich an mein Alter zu erinnern. Die Ärzte sagen, es wäre alles in Ordnung. Meine damalige...”, Wieder stockte er. „Die Mutter ist zweiunddreißig. Nein, halt. Inzwischen ist sie dreiunddreißig.”
„Ach ja, ich erinnere mich an die Zeitungsartikel! Du solltest dir keine Sorgen machen. Ihr Alter gibt keinen Anlass zur Sorge, und meinen Kollegen kann man auch ab und an trauen. Freust du dich? Ich kann mich auch an die Fotos erinnern. Sie ist sehr hübsch.”
„Das beruhigt mich ein wenig, danke. Ich weiß noch nicht, ob ich mich freue, weil ich es erst vor ein paar Stunden erfahren habe. Ich habe... Wir haben... Wir sind nicht mehr zusammen.” Es hatte unglaublich viel Kraft gekostet, diese letzten Worte auszusprechen.
„Oh, das tut mir leid. Ich wünsche dir trotzdem viel Glück und eine gute Nacht. Bis zu deinem nächsten Besuch bei mir, Alex.” Der Arzt legte schnell auf, bevor er in weitere Fettnäpfchen treten konnte.
Die ‘gute Nacht’ blieb Alexander verwehrt. Immer wieder dachte er an das Gefühl ihrer Haut unter seinen Händen, die Bewegungen, die er da gespürt hatte. Immer wieder sah er Rosalinds Gesicht vor sich und hörte ihre Worte. ‘Es hätte so einfach sein können.’ Irgendwann tief in der Nacht wurde die Last der Schuld so erdrückend, dass er ganz und gar unmännlich in Tränen ausbrach und seinem Schmerz freien Lauf ließ.
***
Ein Blick in Lydia Goodfellows Gesicht versöhnte den Schriftsteller am nächsten Vormittag mit seinem eigenen Anblick. Auch sie schien eine unruhige Nacht hinter sich zu haben.
„Hallo Alex. Ich wünschte, ich könnte sagen, du siehst gut aus.” Sie lächelte matt. „Bevor du mir was zu sagen hast - darf ich bitte zuerst sprechen?”
„Vielen Dank, Lydia. Du ersparst mir, das Kompliment zurückgeben zu müssen.” Auch Alexander zog einen Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben. „Sicher doch. Rede du ruhig
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