Die Koenigin der Wolle
nur versucht, sie zu vergessen. Erfolglos.” Ein Schulterzucken. Alexander wusste nicht, was er dazu sonst noch hätte sagen sollen.
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Der Besuch in Lydias Büro war friedlich und ohne Schuldzuweisungen zu Ende gegangen. In gewisser Weise konnte Alexander sie sogar verstehen, denn er befand sich momentan in einer ähnlichen Situation. Obwohl er nicht wusste, was Rosalind noch für ihn empfand, war er gewillt, alles zu unternehmen, um sie zurück zu erobern. Den Nachmittag verbrachte er damit, zu grübeln, was man seinem Kind zur Geburt schenkte. Im Internet reichten die Vorschläge von Apfelbäumen über Schmuck zu Plüschtieren. Das alles klang abgedroschen. Bei einer Mutter wie Rosalind Fielding würde dieser kleine Mensch etwas ganz Besonderes werden. Ihm kam da plötzlich eine Idee. Wochenlang hatte er, der große Kriminalautor, sich standhaft geweigert, von ihr eine Lektion in Sachen Handarbeit zu lernen. Vielleicht war für ihn auch auf diesem Gebiet die Zeit für eine Veränderung gekommen. Alexander suchte nach Anleitungen und wurde sofort fündig. Abertausende kleine Internetvideos zeigten Frauen, die anderen Leuten beibrachten, wie man Nadeln und Faden richtig hielt, um am Ende ein Ergebnis zu erzielen - es war erstaunlich. Er zog los und besorgte sich zwei Knäuel Wolle (besonders weich, auch für Babys und Kleinkinder geeignet, wenn man der Verkäuferin glauben durfte) und Nadeln in der passenden Stärke. Noch bevor Alex am Abend zu Sean aufbrach, hatte er allerdings sein Vorhaben schon wieder halb aufgegeben. Die ganze Sache gestaltete sich doch nicht so einfach wie er sich das vorgestellt hatte. Mit etwas Glück hatte er ja beim nächsten Versuch Erfolg. Selbst wenn er sich dabei die Finger brechen würde, er wollte seinem Kind etwas ganz Persönliches schenken.
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„Hallo Alex! Bin ich froh, dich wohlbehalten wieder zu sehen. Nachdem du so vollkommen von der Bildfläche verschwunden warst, habe ich mir Sorgen gemacht.” Sean Cranston umarmte seinen alten Freund und sah ihm dann forschend ins Gesicht. „Wenn ich dich so ansehe, scheint es dir nicht besonders gut zu gehen. Wie wär’s, wenn du mir bei einem schönen Glas Rotwein erzählen würdest, was dich gestern am Telefon so bedrückt hat?”
„Nichts lieber als das.”
Alexander folgte Sean in dessen Wohnzimmer und wartete, bis ein gefülltes Weinglas vor ihm auf dem Couchtisch stand.
„Ich war gestern in Reading, um meine Sachen bei Rosalind abzuholen. In den paar Wochen hat sich dort Einiges angesammelt. Ihre Geschäftspartnerin wollte nicht, dass ich ihr über den Weg laufe, aber ich hatte Verspätung.” Bei der Erinnerung an die Szene vom Vortag verstummte er.
Sean schaute Alexander voller Interesse an, drängte ihn jedoch nicht dazu, weiterzusprechen.
„Rose kam gerade aus ihrer Mittagspause zurück. Wir sind uns also begegnet.”
„Aber das ist doch nicht so schlimm! Man trifft ständig irgendwelche Expartner. Ich zumindest. War sie so unfreundlich zu dir?” fragte Sean in aufmunterndem Tonfall.
„Nein, war sie nicht. Ganz und gar nicht.” Alexander schüttelte den Kopf und lächelte seinen alten Kumpel an. „Aber sie ist schwanger. Von mir. Sie wollte es mir an dem Abend sagen, an dem ich ihr den Laufpass gegeben habe. Seit ich sie gesehen habe und von dem Kind weiß, bringt mich die Frage um den Verstand, wie ich sie zurückbekommen kann.”
„Whoa, wenn das mal keine Neuigkeiten sind! Glückwunsch, Alex. Willst du sie wegen des Kindes zurück oder ihretwegen?” Diese Frage musste geklärt werden, fand Cranston.
Alexander riss die Augen auf. „Ihretwegen selbstverständlich. Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben. Damals war ich der festen Überzeugung, sie hätte die Nase voll von mir und wäre deshalb so abweisend. Leider lag ich damit komplett daneben. Also, was rätst du mir?”
Sean brach in herzhaftes Gelächter aus. „Ausgerechnet ich soll dir helfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen? Du bist lustig! Ich, der nie eine Frau länger als ein paar Wochen halten konnte oder wollte, soll dir Beziehungsratschläge geben?“ Er steigerte sich bei dem Gedanken in einen regelrechten Lachanfall hinein. Es brauchte einen Blick in das entgeisterte Gesicht seines Freundes, um ihn wieder ernst werden zu lassen. Dann gab er mit einem Schulterzucken zu: „Aber mal ehrlich, wir Männer haben von sowas nicht die geringste Ahnung.”
„Großartig. Wozu hat man Freunde?”, fragte Alex mit
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