Die Koenigin der Wolle
solche, die noch nie Nadeln in der Hand hatten?”, wollte Alexander wissen.
„Genau die. Bist du interessiert?” Die Frage war ein Scherz. Sie wusste, dass er sich immer geniert hatte, sein Unwissen vor anderen Leuten zu zeigen.
Alex nickte. „Bin ich. Wenn ich darf, würde ich gern bleiben und an euerem Kurs teilnehmen.”
Rosalind war mehr als überrascht. „Okay, gut. Also, einmal Wolle und Nadeln bitte.”
„Aye, aye, Ma’am.” Janice salutierte und lief los, um ein Wollknäuel und eine Rundstricknadel zu holen. Sie wusste, was der Autor wollte. Er war leicht zu durchschauen. Seinem Aussehen nach zu urteilen, hatte er die vergangenen Nächte damit verbracht, sich in den Allerwertesten zu beißen. Es konnte ihr nur recht sein, wenn Rosie ihn wieder zurücknehmen würde. Schließlich war er der Einzige, mit dem sie wirklich glücklich gewesen war. Und er war durch das Kind zu einem Teil von ihr geworden.
Kurz darauf trafen nach und nach die anderen Kursteilnehmer ein und machten es sich in ihren Sesseln bequem. Bei der ersten Lektion in Sachen Handarbeit stellte Alexander Sterling fest, dass er sich nicht ungeschickter anstellte als die übrigen Frauen und der Mann, der sich dazu durchgerungen hatte, an der Runde teilzunehmen. Bildete er sich das nur ein oder kümmerte sich Rose tatsächlich mehr um ihn als um die anderen? Janice wieselte von Platz zu Platz, während Rosalind bei ihm blieb und behutsam seine Hände führte. Ihre Berührungen fühlten sich so gut an, dass er vor lauter Ablenkung eine Masche von der Nadel rutschen ließ.
„Verdammt!”
„Sh, man flucht nicht!” ermahnte sie ihn. „Schon gar nicht in Anwesenheit von Damen. Das ist ganz schnell behoben.” Mit einem Handgriff lag die Masche wieder an ihrem Platz.
Nach dieser ersten Übungsstunde saßen alle noch beisammen, tranken Tee und aßen Rosalinds selbstgebackenen Kuchen. Dabei begriff Alexander, weshalb die Kurse immer ausgebucht waren und die beiden Veranstalterinnen diese Abende so liebten. Alle Kursteilnehmer unterhielten sich prächtig - er selbst eingeschlossen - und hatten eine Menge Spaß. Rosalind war dabei so entspannt und schön, dass er seinen Blick nicht von ihr lassen konnte. Das grüne Kleid, das sie an diesem Tag trug, hob das Rot ihrer Haare hervor und ließ ihre Augen leuchten. Hätte er sie nicht schon geliebt, hätte er sich spätestens bei diesem Anblick rettungslos in sie verguckt.
„Kann ich dir noch irgendwie helfen, Einkäufe erledigen oder so?” Alle anderen waren schon gegangen, nur er selbst war noch geblieben.
„Danke, ich komme klar. Nicht vergessen - übermorgen findet die nächste Stunde statt.” Ihr Lächeln war freundlich und gelassen. Die Bitterkeit war verschwunden.
Alexander erwiderte das Lächeln. „Ich werde da sein, versprochen.” Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und umarmte sie zum Abschied. Zum Schluss strich er mit dem Handrücken kaum spürbar über ihren Bauch.
Rosalind hing dem Ausdruck, den er beim Verlassen des Ladens auf dem Gesicht getragen hatte, noch minutenlang nach. Er freute sich nicht nur, er platzte fast vor Stolz.
***
Alexander kam pünktlich zur nächsten Unterrichtsstunde, ebenso zu den folgenden Lektionen und zwischendurch. Es dauerte nicht lang, bis sich Rosalind und Janice wieder daran gewöhnt hatten, dass der Schriftsteller in ihrem Laden und ihrem Leben ein- und ausging. Er selbst hielt sich streng an die Tipps, die Anouk ihm gegeben hatte, war aufmerksam, brachte kleine Geschenke, erledigte Einkäufe. Kurz und gut, er legte sich so ins Zeug wie er es noch nie zuvor getan hatte.
Seine ständige Anwesenheit in Reading hatte dazu geführt, dass sich die Damen an der Hotelrezeption nicht mehr wunderten, wenn der seltsame Gast ohne Gepäck auftauchte und nach einem Zimmer fragte. Eine Messe in der zweiten Augustwoche brachte Alexander jedoch in die Bredouille. Sein Hotel war ausgebucht. Alle anderen Hotels auch, wie ihm mehrere Telefonate kurz vor Kursbeginn bestätigten.
„Was ist denn los?” Rose hatte gesehen, wie er draußen auf dem Gehweg auf- und abgetigert war und dabei sein Handy nicht weggelegt hatte.
„Ich bekomme für heute Nacht kein Zimmer in der Stadt. Sieht so aus, als müsste ich mir nach dem Kurs ein Taxi zurück nach London nehmen. Aber egal. Was lernen wir heute?”
Sie musste sich ein Grinsen verkneifen. Alexander hatte sich als Musterschüler entpuppt, der mit Feuereifer bei der Sache war und sich
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