Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
ist gewachsen in der letzten Zeit.
Dass Stuart, der sicherheitsbehördliche Hohepriester, eine unsagbar hohe Abfertigung erhalten habe beim Verlassen von Duncans Mediengruppe, ist plötzlich nachzulesen; Duncans Namen werden wir nicht los, wär ja dumm, er ist schließlich markteingeführt, damit muss man leben. (Nach Duncans Namen suche ich manchmal noch aus reiner Gewohnheit. Ich falle in mein persönliches Wurmloch, direkt durch den einladend leuchtenden Touchscreen, ich muss nur die Hand ausstrecken. Ich finde Ann.) Die Information ist frei verfügbar, und ich bin es, die sie entdeckt. Ein Whistleblower hat das ausgeplaudert, ein Wiedergänger, der sich ein frisches Leben schaffen will. Frei verfügbar, das sagt auch Stuart später, pikiert, dass man ihm etwas so offenkundig Selbstverständliches wie eine Abfertigung vorhalten will. Alexander weiß von nichts.
Der Turm ist das einzige Gebäude jenseits der natürlichen Stadtbegrenzung zum See hin, auf der Seeseite der Uferstraße; eine einzigartige Baugenehmigung, deren Erteilung sicher eine interessante Vorgeschichte hat, online verfügbar. Die vertikale Stockwerkshierarchie ist einsichtig, der Status ohne Umstände erwerbbar. Wo blieben wir ohne die Käuflichkeit? Alexander beginnt, ihr zu misstrauen, das ist klar. Alexander könnte mich durchaus davon überzeugen, dass Stuart gefährlich ist und seine Ausschaltung eine Notwendigkeit, wenn er sich die Mühe machte, mit mir zu reden.
Ich rede: Eine Nachbarschaftsverschwörung – 7. bis 20. Stock, unter Beteiligung von ein paar besonders verräterischen Elementen jenseits des 50. – hat die Hausverwaltung auf Schadenersatz geklagt aufgrund des Vertrauensverlustes in den Standort durch die fahrlässige Inkaufnahme krimineller Vorfälle und vor allem wegen des damit einhergehenden Wertverlustes ihrer Besitztümer. Das neue Bodenpersonal in der Lobby hat sich allerdings noch nichts anmerken lassen, vielleicht muss ich genauer hinsehen, denn eines ist klar: die Hausverwaltung wird sich an uns schadlos halten. Apropos Hausverwaltung: Das Wischmuster der Fensterputzeinheit lässt in letzter Zeit zu wünschen übrig in Sachen Symmetrie. Kein Synchronwischen der Herren mehr für mich.
Ich lasse mich zur Arbeit fahren, zur Öffentlichkeitsarbeit, wie vorgesehen, ich bin allein in dieser Stadt. Die Fassaden sind hart und grau, nicht nur im Winter, wo sie sich aufhäufen wie Eisbruchkanten auf der Seeoberfläche; wie können die abweisend spiegelglatt aufragen, verletzend in ihrer Perfektion, und mich an meinen externen provisorischen Status erinnern. Nein, das war einmal. Mein Status ist mittlerweile makellos. Abgesehen von der Demütigung, die darin liegt, als Alexanders Frau respektiert werden zu wollen von all den Leuten, die um uns stehen bei Ausstellungseröffnungen und Empfängen und was weiß ich noch alles. Ich habe früh gelernt, das Beste aus einer Situation zu machen. Und jedes Leben ist provisorisch, sage ich mir dann, doch das hilft auch nichts. Ein spiegelglatt verkleidetes Loch ist in mir, das spiegelt die äußere Form, denn wenn ich mich vorbereite in aller eisigen Stille, dann tut es nicht so weh, vorbereite auf das, was ich zu erwarten habe: dass er sich gegen mich wendet. Alexander hat nur eine Funktion. Eine Funktion, die ihn verschließt wie eine Rüstung, und die ihm, übrigens, besser passt als Duncan. Funktionsträger und Anzugskrieger sind austauschbar, das werde ich im Auge behalten. Wie Livrierte und Ehefrauen. Ich hänge nicht an ihm (was für eine Lüge), im Frontenwechseln bin ich gut.
Beim Aussteigen zwischen Tür und Autodach (dem Autohimmel) ein Blick nach oben, an den Auswüchsen der etwas albernen Fassadenverzierung des Firmensitzes entlang, stalinistischer Zuckerbäckerstil würde man sagen, wenn das Gebäude nicht im Land der Freien stünde, Alexander wird in seinem Büro sein. Ich lächle nicht, ich nicke nicht, ich muss nur den Querverweis zur ungeschwärzten Quellinformation setzen, zum Quellmaterial, dessen Zugänglichkeit im öffentlichen Interesse liegt. Die Freischaltung wird zur richtigen Zeit erfolgen: Ich muss den Code im Kopf behalten. Meine Aufgabe besteht in der umfassenden Aufklärung der am Konsum Interessierten: So war das.
(Der Fluss kommt nicht zur Ruhe. Das Leck in der Fließwanne erlaubt den Zugang zu darunterliegenden Röhrensystemen.) Keine Ahnung, warum mir jetzt die Gummihandschuhe einfallen.
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Öffentlichkeitsarbeit: Hier entlang. Das läuft mir aus
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