Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
ich sanft in die zarte, gut durchblutete Haut seiner Ohrmuschel.
Ich bin nämlich fruchtbar. Der Gedanke an die Kinder führt auf Abwege, zu denen ich mir den Zugang verwehrt habe; sie sind gut untergebracht. Das zählt. In derselben Privatschule wie Stuarts Sohn, wenn mich nicht alles täuscht. Dafür hat Duncan gesorgt. Kein Duncan mehr in diesem Bett, wer überleben will, muss früher töten, das hätte Duncan ebenso gemacht. Ich vergesse: Kein Duncan mehr, und Alexander legt noch nach und schildert, dass Stuart die Gunst der Stunde nutzen wolle, in der er sich so klar profilieren habe können und sich als Präsidentschaftskandidaten ins Spiel bringen, erst muss er die eigene Partei davon überzeugen (die teetrinkende Seite der Republikaner), er rechne mit der Unterstützung von Duncans Sendern, schon wieder Duncan. Ich will den Namen nicht mehr denken, ich muss mich konzentrieren auf das, was hier passiert: Gegenwart, das war das Stichwort. Teaparty-Kampagne (Alexander beißt in meine Brustwarzen). Wo kämen wir denn da hin, mein schrecklicher Mann, mein furchtbarer Mann, ich werde keine Angst vor dir haben: Mad as a hatter, sagt Alexander lachend, und das Lachen rutscht ab, kurz vor dem Höhepunkt. Als ob ich es für Stuart getan hätte. Wir, sage ich, wir. Sei endlich still.
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Frühstücksfernsehen: Die Aufstände sind endgültig beendet. Auch die in den nördlich gelegenen Stadtrandbezirken. Die Kaufhäuser diesmal unversehrt, am Strand unter uns nur fröhliche Menschen, die irgendein Sportereignis feiern. Ein paar weitere Polizisten müssen betrauert werden; Stuart gibt eine bewegende Pressekonferenz und teilt im übrigen mit, dass die Einkaufsstraßen weiterhin sicher und ohne Probleme frequentiert werden könnten, das sei – das sagt er nur leicht scherzend – ja schließlich das Wichtigste, was ein patriotischer Bürger für die Wirtschaft und das Land tun könne.
Alexander zieht die Augenbrauen hoch, durchaus berechtigt, Stuart überschreitet seine inhaltliche Kompetenz. Dennoch bleibt ein Unbehagen, das ich nur in der vorübergehenden Abgeschiedenheit der Toilette formulieren kann. Ich weiß, dass mir die Art missfällt, wie Alexander über Stuart spricht. Diese Zäune, Panzersperren, die er aufstellt, die kenne ich, das Sich-Distanzieren auch, all das könnte ich für zufällig gesetzt halten, wenn ich mir Mühe gäbe, aber das kann ich nicht. Manchmal denke ich, dass ich Duncan darum beneide, dass er dieses Stadium hinter sich hat, aufgelassen, denke ich, und projiziere das Bild eines Vorstadteinfamilienhauses an die großflächigen Schieferplatten, die den Raum verkleiden, das Bild eines einstöckigen Gebäudes mit pappendeckeldünnen Wänden und einer Garage, die vier SUVs nebeneinander beherbergt, der Asphalt der Zufahrtstraße überwuchert, wo habe ich das nur her?
Der Blutgeruch ist ein Hirngespinst, das weiß ich. Es kann hier keinen Blutgeruch geben, es ist wahrscheinlich Milch, die diesen Ekel auslöst, und überhaupt: der Geruch war ja nicht schlecht, hat mich erregt, warm und wild, ein Zeugnis der Tatkraft, der Lebendigkeit, des Gestaltungswillen dieses Mannes, den ich liebe, für den ich mich jetzt nun einmal entschieden habe, was bleibt mir anderes übrig. Doppelzelle, keine Einzelzelle, denke ich, während wir uns über die Butter hinweg belauern, während die Zitzen der Espressomaschine Zwillingsstrahlen in die gierig geöffneten Tassenmäuler speien, und Alexander nippt bereits am Milchschaum.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass das Blut mir nichts ausgemacht hat. Mit dem Blut war zu rechnen, da siehst du hin und sagst dir, dass das dazugehört, eben nicht anders geht, dass das der Preis ist, der für den radikalen Schnitt zu zahlen ist. Überhaupt hat es mir nichts ausgemacht, den alten Mann tot zu sehen. Das Neue kommt, das Alte geht, das entspricht dem natürlichen Ablauf (die Störung ist keine Störung der natürlichen Ordnung, allenfalls der zivilisatorischen, und das zählt wenig im Vergleich zu dem Umstand, dass wir der Natur so ein wenig auf die Sprünge geholfen haben); vor der Milch graut mir.
Der Milchschaum lässt eine dünne Spur auf Alexanders Oberlippe zurück, und ich bringe es nicht über mich, ihn darauf hinzuweisen oder sie gar abzuwischen, ich starre nur. Milch habe ich noch nie gemocht, nicht einmal meine eigene habe ich riechen können. Dieses süßliche Zeug, das ranzig wird, verklumpt und sich verfärbt, nach Fäulnis riecht und nach Verfall, sobald es
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