Die Königin von Theben
Zeit, um all deine Möglichkeiten zu entwickeln, aber wir gehen Schritt für Schritt vor. Jedenfalls, so lange es sich machen lässt.«
Sie küsste ihn leidenschaftlich, und sein Begehren erwachte.
»Gehen wir dorthin, unter die Weide, wo es schattig ist«, schlug sie vor.
Dieses ruhige Fleckchen Erde war ein kleines Paradies, perfekt geeignet für das, was sie vorhatten. Seqen zog seinen Schurz aus und breitete ihn auf der Böschung aus. Das improvisierte Liebeslager gefiel der jungen Frau, und mit Wonne überließ sie sich den Zärtlichkeiten ihres feurigen Liebhabers. Wie sie selbst war auch Seqen ein Mensch, der alles im Leben mit Enthusiasmus anging. Dieser Mann besaß die Eigenschaften eines echten Königs.
»Willst du nicht ein bisschen angeln?«, schlug sie einige Zeit später vor.
Aus Schilfrohr fabrizierte Seqen eine Angel und benutzte einen fetten Regenwurm als Köder.
»Meine Mutter sagt, der letzte starke Mann in Theben sei der Minister für Landwirtschaft. Er stammt aus einer alten und wohlhabenden Familie, besitzt viel Land und hat nur ein einziges Ideal: seinen Reichtum zu erhalten. Deshalb befiehlt er den Bauern, nicht zur Armee zu gehen, sondern weiter für ihn zu arbeiten. Mehrmals hat meine Mutter ihn davon zu überzeugen versucht, dass gerade diese Unbeweglichkeit Theben – und damit ihn selbst – zum Verschwinden verurteilt. Aber er glaubt ihr nicht und bleibt bei seiner Meinung. Da der gesamte Adel ihm Glauben schenkt, wird sich nichts ändern, und wir werden uns weiterhin wie treue Untertanen des Hyksoskönigs verhalten.«
»Was hast du mit ihm vor, Ahotep?«
»Entweder er gehorcht mir, oder ich enthebe ihn seines Amtes.«
»Der Bursche ist anscheinend genauso eingebildet wie dickköpfig … Er wird sich nie einer Frau unterwerfen!«
»Aber es wird unumgänglich sein, dieses Hindernis zu beseitigen. Solange dieser Minister noch da ist, sind wir ohnmächtig.«
Der Hund schien, den Kopf auf die gekreuzten Pfoten gebettet, tief zu schlafen. Doch plötzlich sammelte er seine ganze Energie und warf sich mit einem großen Satz auf Seqen.
Die Wucht des Anpralls brachte den jungen Mann aus dem Gleichgewicht, und er fand sich weit vom Ufer des Kanals, wo er eben noch gestanden hatte.
Die Kiefer des Krokodils, das aus dem Wasser aufgetaucht war, umschlossen nur noch Leere. Ohne das Eingreifen des Hundes wären die Knochen des Königs von ihm zermalmt worden.
Verärgert schien die große Echse zum Angriff übergehen zu wollen, doch Lächlers Gebell und die Steine, die Ahotep warf, brachten sie davon ab.
»Du hast den größten aller Fische gefangen«, stellte Ahotep fest.
»Niemand fühlt sich mehr für die Kanäle zuständig«, sagte Seqen, »die notwendigen Arbeiten werden vernachlässigt. Früher hätte sich kein Krokodil hierher verirrt.«
»Es gibt Schlimmeres, viel Schlimmeres … Der Angriff dieses Ungetüms beweist, dass wir unter dem Einfluss eines bösen Zaubers stehen. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um uns davor zu schützen.«
27
D u hast Recht, Ahotep«, sagte Teti die Kleine. »Ein böser Zauber liegt auf uns, und besonders auf unserem neuen König.«
»Wie können wir ihn davon befreien?«
»Ihr müsst euch in den Besitz des heka bringen, jener magischen Kraft, die die ungünstigen Wirkungen der Ereignisse abwendet. Ohne sie gibt es keinen Erfolg. Das böse Auge verwehrt ihn euch … Aber glücklicherweise verrät die Art, wie es sich manifestiert, seinen Ursprung! Die Weide ist der heilige Baum des Tempels von Dendera. Zweifellos ist er schwer beschädigt worden, und die Götter machen den Pharao dafür verantwortlich.«
»Wir müssen die Schäden wieder gutmachen«, entschied die Königin.
»Dendera liegt im besetzten Gebiet, Ahotep!«
»Ein Bauernpärchen mit seinem Esel wird die Hyksos nicht misstrauisch machen.«
Das königliche Paar schutzlos auf Straßen, die die Feinde kontrollierten! Es war Wahnsinn – doch kraft welcher Autorität hätte Teti ihnen das Vorhaben untersagen sollen?
Nordwind trabte munter weiter, als die Zollstation von Koptos in Sicht kam. Das bedeutete, dass die Zollbeamten den Reisenden keine Schwierigkeiten machen würden.
Und tatsächlich begnügten sie sich, apathisch geworden in der Mittagshitze, die Säcke, die der Esel trug, oberflächlich zu durchsuchen und zwei Paar nagelneue Sandalen aus seiner Last als Wegzoll einzubehalten.
Der Tempel von Dendera, erbaut in der Pyramidenzeit, lag versteckt in einer abgelegenen
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