Die Königin von Theben
Eurem Zustand …«
»Was mich beschäftigt, Qaris, ist einzig und allein der Zustand meines Landes.«
32
U m nach Nekheb {*} zu gelangen, hatten sich Ahotep und Seqen für den Weg entschieden, der durch die Getreidefelder führte. Als Begleitschutz gingen zehn junge Soldaten mit ihnen, die bereit waren, ihr Leben zu geben, um das der Königin zu retten. Sie hatte eingewilligt, sich in einer Sänfte aus Sykomorenholz tragen zu lassen, wenn die Müdigkeit sie überwältigte.
Während des schnellen Fußmarsches gab es keine unangenehmen Überraschungen. Die kleine Gruppe begegnete nur einigen ängstlichen Bauern, die sich hüteten, irgendwelche Fragen zu stellen, und sich vor ihnen in ihre baufälligen Ziegelhütten zurückzogen.
Offensichtlich war die Provinz fast vollständig verlassen, und die Hyksos schätzten sie so gering, dass sie selbst die Wachtruppen aus ihren Stützpunkten abgezogen hatten.
Die unmittelbare Umgebung der alten Stadt Nekheb hatte nichts Einladendes: Die Bäume waren gefällt, die Felder verlassen, auf den Wegen lagen Kuhkadaver … Das Glück schien sich von diesem Ort endgültig verabschiedet zu haben.
»Lass uns umkehren«, sagte Seqen. »Diese Stadt ist nur noch ein Ruinenfeld.«
»Zuerst müssen wir dessen ganz sicher sein«, widersprach Ahotep.
»Es gibt vielleicht Räuber, die die Häuser plündern, und wir sind nicht viele.«
»Ich will wissen, ob Babay noch lebt.«
Seqen war der Erste, der durch das große offene Tor die Stadt betrat. Die Torflügel waren aus den Angeln gerissen, der Wachposten war verwaist. Mitten auf der Hauptstraße lag ein toter Hund.
»Zwei Männer gehen voran«, befahl Seqen, »einer links, der andere rechts.«
Hier und da stand ein verbranntes Haus. Überall lagen Tonscherben herum, von Axthieben zerhackte Möbelstücke, Fetzen von Kleidern.
Doch keine lebende Seele war zu sehen.
Der uralte Tempel der Göttin Nekhbet, der Mutter des Pharaos, deren Namen er trug, war nicht verschont worden. Zerbrochene Standbilder und beschädigte Säulen zeugten von ihrem Leid.
»Dort – dort ist jemand!«, rief einer der vorangehenden Soldaten plötzlich.
Auf der Schwelle des überdachten Tempels saß ein sehr alter Mann und las einen Papyrus.
Als seine Besucher herankamen, hob er nicht einmal den Kopf, so gleichgültig war ihm das Schicksal, das ihn erwartete.
»Bist du Babay, der Weise?«, fragte Ahotep.
Der Alte gab keine Antwort.
»Zieht euch zurück!«, befahl sie den Soldaten.
Als sie sich weit genug entfernt hatten, kam Ahotep ohne Umschweife zur Sache.
»Pharao Seqen und Königin Ahotep brauchen deine Hilfe zur Rettung Ägyptens.«
Mit fast unerträglich langsamen Bewegungen begann der Alte, den Papyrus zusammenzurollen.
»Das göttliche Licht hat den Pharao auf Erden eingesetzt, damit er Harmonie schaffe an Stelle der Unordnung, die Gunst der Götter gewinne, Gerechtigkeit übe und Ungerechtigkeit ausmerze«, sagte Babay. »Er stellt sich nicht über die Maat, sondern ist ihr Diener und beschützt die Gerechten. So war es einst, vor der Eroberung. Heute gibt es keinen Pharao mehr auf Ägyptens Erde.«
»Du irrst dich«, widersprach Ahotep. »Seqen ist in Karnak gekrönt worden.«
Der alte Weise bedachte das junge Paar mit einem zweifelnden Blick.
»Die Hyksos haben Karnak zerstört.«
»Ich versichere dir, dass sie das nicht getan haben, Babay! Meine Mutter, Teti die Kleine, hat die Unabhängigkeit Thebens bewahrt, der Tempel ist unversehrt. Die Hyksos glauben, wir seien endgültig unterworfen und dächten nicht mehr an Gegenwehr, während wir insgeheim an der Vorbereitung des Gegenschlags arbeiten.«
»Königin Ahotep … Der Gott des Mondes möge dich beschützen und dir Kampfgeist verleihen. Also seid Ihr das neue Königspaar, ohne Armee und ohne Land.«
»Wir werden unsere Soldaten ausbilden, Schritt für Schritt«, versprach Seqen.
Der Alte zerriss den Papyrus. »Helft mir auf.«
Trotz seines hohen Alters war Babay kräftig und schwer.
»Pharao Seqen und Königin Ahotep … Bevor ich verschwinde, träume ich meinen schönsten Traum!«
»Was ist in Nekheb vorgefallen?«, fragte Ahotep.
»Vor zwei Monaten haben drei Kriegsschiffe der Hyksos angelegt. Die Eindringlinge haben die Felder verheert und die Stadt zerstört, sie töteten die wenigen, die sich ihnen entgegenstellten, und nahmen den Rest der Bevölkerung mit in den Norden, in die Sklaverei. Mich haben sie verschont, damit ich den Bericht über die Bestrafung
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