Die Königliche (German Edition)
ihren fürchterlichen Träumen belasten wollte, Träumen von Ashen, die von Leck mit einem Pfeil in den Rücken geschossen wurde. »Erzähl mir von deinen Träumen.«
»Ich bin ich selbst«, sagte Bo, »und ich bin so wie ich, mit denselben Kräften und Einschränkungen und Geheimnissen. Aber meine Lügen haben nichts Schuldbewusstes an sich, keinen Zweifel, weil ich eine Wahl getroffen habe, und es ist die bestmögliche Wahl für mich. Wenn ich aufwache, fühlt sich alles ein wenig leichter an, weißt du?«
Sein Fieber dauerte an; es schien vorübergehend besser zu werden und flammte dann wieder stärker auf als zuvor. Manchmal, wenn sie nach ihm sah, zitterte er und schlug um sich und sagte eigenartige Dinge, die überhaupt keinen Sinn ergaben. »Er halluziniert«, sagte Madlen einmal, als Bo Bitterblue am Arm gepackt hatte und rief, dass die Brücken wuchsen und Tote im Fluss schwammen.
»Ich wünschte, seine Halluzinationen wären so angenehm wie seine Träume«, flüsterte Bitterblue, berührte Bos Stirn, strich ihm über die verschwitzten Haare und versuchte ihn zu beruhigen. Und sie sehnte sich nach Raffin und Bann, die an Krankenbetten besser waren als sie. Sie sehnte sich nach Katsa, deren Wut sicherlich dahinschmelzen würde, wenn sie Bo in diesem Zustand sah. Aber Katsa war in irgendeinem Tunnel und Raffin und Bann waren unterwegs nach Sunder.
»Es war Randas Befehl«, stieß Bo hervor, diesmal in Decken gewickelt und heftig zitternd. »Randa hat Raffin nach Sunder geschickt, um Murgons Tochter zu heiraten. Er wird mit einer Ehefrau und Kindern und Enkeln zurückkommen.«
»Raffin die Tochter des Königs von Sunder heiraten?«, rief Bitterblue. »Nicht in einer Million Jahren.«
Vom Tisch, an dem Madlen eins ihrer abscheulichen Gebräue mischte, die sie Bo gern herunterwürgen ließ, erklang ein tsts . »Fragen Sie ihn lieber noch mal danach, wenn er nicht so außer sich ist, Königin.«
»Und wann wird das sein, Madlen?«
Madlen drückte eine säuerlich riechende Paste in die Schüssel, zerstampfte sie zusammen mit dem Rest und antwortete nicht.
Helda hatte inzwischen Ornik den Schmied damit beauftragt, eine Kopie der Krone anzufertigen. Er erfüllte diesen Auftrag so hervorragend, dass Bitterblue bei ihrem Anblick im ersten Moment große Erleichterung überkam, weil sie dachte, dass die echte Krone wieder da war – bis ihr auffiel, dass sie nicht so massiv war und nicht so glänzte wie die echte Krone und dass die Juwelen nur aus farbigem Glas waren.
»Oh«, sagte Bitterblue. »Meine Güte, Ornik ist wirklich gut in seinem Metier. Er muss die Krone schon mal gesehen haben.«
»Nein, hat er nicht, Königin, aber Fox natürlich, und sie hat sie ihm beschrieben.«
»Das heißt, wir haben jetzt auch Fox in dieses Fiasko eingeweiht?«
»Sie hat Saf ja am Tag des Diebstahls gesehen, Königin, und wollte am nächsten Tag wieder die Krone polieren. Erinnern Sie sich? Es war unmöglich, sie nicht einzubeziehen. Und sie ist eine nützliche Spionin. Ich versuche über sie diesen Spook ausfindig zu machen, der die Krone haben soll.«
»Und was haben wir bisher erfahren?«
»Spook ist auf königliche Schmuggelware spezialisiert, Königin, auf alle Arten edler Schätze. Schon seit Generationen betreibt seine Familie solche Geschäfte. Noch schweigt er über die Sache mit der Krone. Es heißt, dass niemand außer seinen Untergebenen genau weiß, wo die Höhle ist, in der er lebt. Gut für uns, was unser Bedürfnis nach Schweigen angeht; schlecht für uns, was unser Bedürfnis angeht, ihn zu finden und dahinterzukommen, was bei allen Bergen los ist.«
»Saf weiß bestimmt, was los ist«, sagte Bitterblue widerstrebend, während sie Helda dabei zusah, wie sie die falsche Krone mit einem Tuch abdeckte. »Welche Strafe steht auf Bestehlen der Königin, Helda?«
Helda seufzte kurz und sagte: »Königin, vielleicht ist Ihnen der Gedanke noch nicht gekommen, dass das Stehlen der Königskrone mehr ist als Bestehlen der Königin. Die Krone ist nicht einfach ein Schmuckstück; sie ist der körperliche Ausdruck Ihrer Macht. Sie zu stehlen ist Hochverrat.«
Hochverrat?
Auf Hochverrat stand die Todesstrafe. »Das ist doch lächerlich«, zischte Bitterblue. »Ich würde nie zulassen, dass das Oberste Gericht Saf zum Tode verurteilt, weil er eine Krone gestohlen hat.«
»Wegen Hochverrats, meinen Sie, Königin«, sagte Helda. »Und Sie wissen genauso gut wie ich, dass selbst Ihre Rechtsprechung von einem
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