Die Königliche (German Edition)
Königin«, sagte er. »Ihre Mutter wäre …«
»Unterstehen Sie sich«, zischte sie, um ihn zu übertönen. »Unterstehen Sie sich, die Erinnerung an meine Mutter zu bemühen, um an mein Mitleid zu appellieren.«
Einen Moment herrschte Schweigen. Er ließ den Kopf hängen. Offenbar hatte er verstanden. »Sie müssen berücksichtigen, Königin, dass wir zusammen studiert haben. Runnemood war bereits lange vor Lecks Herrschaft mein Freund. Wir haben viel zusammen erlitten. Sie müssen auch berücksichtigen, dass Sie zehn Jahre alt waren. Und plötzlich, bevor ich wusste, wie mir geschah, waren Sie eine achtzehnjährige Frau, die alleine unterwegs war, gefährliche Wahrheiten aufdeckte und offensichtlich nachts durch die Straßen lief. Sie müssen mir Zeit geben, mich an den Gedanken zu gewöhnen.«
»Ich gebe Ihnen jede Menge Zeit«, sagte sie. »Bleiben Sie weg, bis Sie beschlossen haben, sich die Wahrheit zur Gewohnheit zu machen.«
»Das beschließe ich jetzt sofort, Königin.« Er blinzelte seine entsetzten Tränen weg. »Ich werde Sie nicht mehr belügen. Ich schwöre es.«
»Ich fürchte, ich glaube Ihnen nicht.«
»Königin«, sagte er. »Ich flehe Sie an. Jetzt, wo Sie verletzt sind, brauchen Sie nur noch mehr Hilfe.«
»Unter den Umständen wünsche ich, nur von denen umgeben zu sein, die hilfreich sind«, sagte sie zu dem Mann, der alles am Laufen hielt. »Gehen Sie. Gehen Sie in Ihre Räume und überdenken Sie alles. Wenn Ihnen plötzlich wieder einfällt, wo Runnemood ist, schicken Sie uns eine Nachricht.«
Er erhob sich, ohne sie anzusehen. Schweigend verließ er das Zimmer.
»Solange ich diesen schrecklichen Gips am Arm habe«, sagte Bitterblue an diesem Abend zu Helda, »muss ich mich irgendwie ohne diese Prozedur an- und ausziehen können.«
»Ja«, sagte Helda, die die Naht an Bitterblues Ärmel auftrennte und den Stoff über den Gips schob. Sie hatte Bitterblue heute Morgen in ihr Kleid nähen müssen. »Ich habe ein paar Ideen, Königin, mit offenen Ärmeln und Knöpfen. Setzen Sie sich. Bewegen Sie sich nicht; ich binde diesen Schal los und kümmere mich um die Unterkleider. Ich helfe Ihnen, das Nachthemd anzuziehen.«
»Nein«, sagte Bitterblue, »kein Nachthemd.«
»Es liegt mir fern, Königin, Sie davon abzuhalten, wenn Sie unbekleidet schlafen wollen, aber Sie haben leichtes Fieber. Ich glaube, eine Extraschicht Wärme täte Ihnen gut.«
Bitterblue würde sich mit Helda nicht wegen des Nachthemds streiten, weil sie nicht wollte, dass Helda misstrauisch wurde, wenn sie es nicht anzog. Aber, oh, wie sehr ihr alles wehtat, und wie mühsam es war, auch noch das Ausziehen des verdammten Nachthemds auf die Liste unmöglicher Aufgaben zu setzen, die sie erfüllen musste, um sich heute Nacht hinausschleichen zu können. Als Helda begann, ihre Haarnadeln herauszuziehen und das Haar zu lösen, verkniff sich Bitterblue jeden Widerspruch und sagte: »Würdest du mir die Haare bitte zu einem dicken Zopf flechten, Helda?«
Schließlich war Helda weg, die Lampen waren gelöscht und Bitterblue lag mit solch pochenden Schmerzen auf der rechten Seite, dass sie sich fragte, ob eine kleine Königin in einem großen Bett ein Erdbeben auslösen konnte.
Also dann. Es hat keinen Zweck, es hinauszuzögern.
Etwas später verließ Bitterblue mit keuchendem Atem und dröhnendem Kopf ihre Räume und machte sich auf den weiten Weg durch Flure und über Treppen. Sie würde nicht über ihre Einarmigkeit oder den Mangel an Messern in ihren Ärmeln nachdenken. Es gab eine Menge, worüber sie heute Nacht nicht nachdenken würde; sie würde auf ihr Glück vertrauen und hoffen, dass sie niemandem begegnete.
Im großen Schlosshof trat jemand aus den Schatten und stellte sich ihr in den Weg. Er sandte einen hellen Schimmer aus, der im Licht der Fackeln schwach erkennbar war, wie immer.
»Bitte zwing mich nicht dazu, dich aufzuhalten«, sagte Bo. Es war weder ein Scherz noch eine Warnung. Es war eine echte Bitte. »Ich werde es tun, wenn nötig, aber davon werden wir beide nur noch kränker.«
»Oh, Bo«, sagte sie, dann ging sie zu ihm und umarmte ihn mit ihrem einen heilen Arm.
Er legte seinen Arm um ihre unverletzte Seite, hielt sie fest und seufzte, gegen sie gelehnt, langsam in ihr Haar. Als sie ihr Ohr auf seine Brust legte, konnte sie seinen rasenden Herzschlag hören. Langsam beruhigte er sich. Er fragte: »Bist du wirklich fest entschlossen rauszugehen?«
»Ich will Saf und Teddy das mit Runnemood
Weitere Kostenlose Bücher