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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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und der Kragen war offen. »Königin«, sagte er erschrocken.
    »Thiel. Habe ich Sie aus dem Bett geholt?«
    »Nein, Königin.«
    »Thiel!«, sagte sie, als sie einen kleinen roten Fleck über einer seiner Manschetten bemerkte. »Sie bluten ja! Ist alles in Ordnung? Was ist passiert?«
    »Oh«, sagte er, senkte den Blick, suchte seine Brust und Arme nach der betreffenden Stelle ab und bedeckte sie mit der Hand. »Es ist nichts, Königin, nur meine eigene Ungeschicktheit. Ich kümmere mich sofort darum. Möchten Sie … möchten Sie hereinkommen?«
    Er machte die Tür ganz auf und trat unbeholfen zur Seite, während sie eintrat. Es war ein einzelnes kleines Zimmer mit einem Bett, einem Waschtisch und zwei Holzstühlen, ohne Kamin und mit einem Schreibtisch, der viel zu klein für einen so großen Mann wirkte, als müsste er mit den Knien an die Wand stoßen, wenn er daran saß. Die Luft war kalt und das Licht schwach. Es gab keine Fenster.
    Als er ihr den besseren der Stühle mit geraden Lehnen anbot, setzte sie sich, unbehaglich, verlegen und unglaublich verwirrt. Thiel ging zum Waschtisch, wandte seine verletzte Seite ab, krempelte den Ärmel hoch und hantierte mit Wasser und Verbandsmaterial. In einem offenen Koffer stand ein Saiteninstrument an der Wand. Eine Harfe. Bitterblue fragte sich, ob ihr Klang, wenn Thiel spielte, bis in Lecks Labyrinth reichte.
    Sie bemerkte auch eine Spiegelscherbe auf dem Waschtisch.
    »War das hier schon immer Ihr Zimmer, Thiel?«, fragte sie.
    »Ja, Königin«, sagte er. »Tut mir leid, dass es nicht einladender ist.«
    »Wurde es … Ihnen zugeteilt«, fragte Bitterblue vorsichtig, »oder haben Sie es sich ausgesucht?«
    »Ich habe es mir ausgesucht, Königin.«
    »Hätten Sie nicht gerne etwas Größeres?«, fragte sie. »Eher so was wie meine Räume?«
    »Nein, Königin«, sagte er und setzte sich ihr gegenüber. »Das passt gut zu mir.«
    Es passte nicht zu ihm. Dieses kahle, unbequeme Rechteck von einem Raum, die graue Decke auf dem Bett, die trostlosen Möbel passten nicht im Geringsten zu seiner Würde, seiner Intelligenz oder seiner Bedeutung für sie und das Königreich.
    »Haben Sie Darby und Rood dazu gebracht, jeden Tag zur Arbeit zu kommen?«, fragte sie ihn. »Ich habe vorher noch nie einen von ihnen so lange ohne Zusammenbruch erlebt.«
    Er musterte seine Hände und räusperte sich dann diskret. »Das habe ich, Königin. Obwohl ich bei Rood heute natürlich nicht darauf bestanden habe. Ich gebe zu, dass ich ihnen mit meinem Rat zur Seite stand, wenn sie mich darum gebeten haben. Ich hoffe, Sie sind nicht der Meinung, ich hätte mich aufgedrängt.«
    »War Ihnen sehr langweilig?«, fragte sie ihn.
    »Ach, Königin«, sagte er inbrünstig, als wäre schon die Frage eine Befreiung von der Langeweile. »Ich habe hier in diesem Zimmer gesessen, ohne etwas zu tun zu haben, außer nachzudenken. Es ist lähmend, nichts zu tun zu haben, außer nachzudenken.«
    »Und worüber haben Sie nachgedacht, Thiel?«
    »Dass ich mich bemühen würde, Ihnen besser zu dienen, wenn Sie mich wieder in Ihren Turm aufnehmen würden, Königin.«
    »Thiel«, sagte sie leise, »Sie haben uns bei der Flucht geholfen, nicht wahr? Sie haben meiner Mutter ein Messer gegeben. Ohne dieses Messer wären wir nicht hier rausgekommen; meine Mutter brauchte es. Und Sie haben Leck abgelenkt, während wir wegrannten.«
    Thiel saß in sich versunken da und schwieg. »Ja«, flüsterte er schließlich.
    »Es bricht mir manchmal das Herz«, sagte Bitterblue, »an wie viele Dinge ich mich nicht erinnern kann. Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie beide so gut befreundet waren. Ich kann mich nicht erinnern, wie wichtig Sie für uns waren. Ich kann mich nur an Momentaufnahmen erinnern, als er Sie beide mit nach unten genommen hat, um Sie gemeinsam zu bestrafen. Es ist ungerecht, dass ich mich nicht an Ihre Liebenswürdigkeit erinnere.«
    Thiel atmete hörbar aus. »Königin, eine von Lecks grausamsten Hinterlassenschaften ist es, dass wir unfähig sind, uns an bestimmte Dinge zu erinnern, und unfähig sind, andere zu vergessen. Wir sind nicht Herr über unser Bewusstsein.«
    Nach einer Weile sagte sie: »Ich möchte, dass Sie morgen wiederkommen.«
    Er sah sie an und Hoffnung breitete sich auf seiner Miene aus.
    »Runnemood ist tot«, ergänzte sie. »Das Kapitel ist abgeschlossen, aber das Rätsel ist nicht gelöst, denn meine wahrheitssuchenden Freunde in der Stadt werden weiterhin angegriffen. Ich weiß nicht,

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