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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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Klang eines einsamen Musikinstrumentes an ihr Ohr. Melancholische Saiten wurden von einer Hand angeschlagen. Irgendjemand in meinem Schloss macht Musik.
    Zurück im Schlafzimmer setzte sich Bitterblue wieder auf ihren Platz auf dem Teppich und fing ein neues Laken an.
    Thiel sagt, er besorgt mir ein Messer, wenn möglich. Wird nicht leicht sein, Leck hat alle Messer unter Kontrolle. Er muss eins stehlen. Muss Leintücher verknoten und aus dem Fenster klettern. Thiel sagt, es ist zu gefährlich. Aber im Garten ist nur ein Wachmann, zu viele Wachen auf allen anderen Wegen. Er sagt, wenn es so weit ist, lenkt er Leck ab.

Bo und Raffin brachen am nächsten Tag noch vor dem Morgengrauen auf, führten ihre Pferde in die Oststadt und leise über die Winged Bridge. Kurz danach folgte Katsa und zurück blieben Bann, Helda und Bitterblue, die sich am Frühstückstisch düster anstarrten. Giddon war immer noch nicht aus Silverhart zurückgekehrt.
    Dann kam am späten Vormittag Darby die Treppen zu Bitterblues Turm heraufgerannt und ließ eine zusammengefaltete Nachricht auf ihren Schreibtisch fallen. Er rümpfte die Nase. »Das scheint dringend zu sein, Königin.«
    Die Nachricht war unverschlüsselt in Giddons Schrift verfasst. Königin , hieß es darin, bitte kommen Sie so schnell wie möglich in Ihre Ställe und bringen Sie Rood mit. Seien Sie diskret.
    Sie konnte sich nicht vorstellen, warum Giddon sie um so etwas bat, und bezweifelte, dass es einen erfreulichen Grund dafür gab. Aber immerhin war er unversehrt wieder da.
    Rood folgte ihr wie ein schüchterner Hund zu den Ställen, in sich verschlossen, als versuchte er sich zum Verschwinden zu bringen. »Wissen Sie, was das zu bedeuten hat?«, fragte sie ihn.
    »Nein, Königin«, flüsterte er.
    Als sie den Stall betraten, konnte sie Giddon nirgendwo entdecken, deshalb entschied sie sich für die nächstgelegene Stallgasse und folgte ihr an stampfenden, schnaubenden Pferden vorbei. Als sie um die erste Ecke bog, sah sie Giddon in der Tür einer Box weiter hinten, wo er sich über etwas beugte, das auf dem Boden lag. Noch ein Mann war bei ihm – Ornik, der junge Schmied.
    Rood neben ihr schluchzte auf.
    Das hörte Giddon, drehte sich um und kam schnell auf sie zu, um sie aufzuhalten. Er streckte einen Arm aus, um Bitterblue zum Stehenbleiben zu bewegen, mit dem anderen hielt er Rood praktisch aufrecht und sagte: »Es ist grauenhaft. Es ist eine Leiche, die eine ganze Zeit lang im Fluss gelegen hat. Ich …« Er zögerte. »Rood, es tut mir leid, aber wir glauben, es ist Ihr Bruder. Würden Sie seine Ringe erkennen?«
    Rood fiel auf die Knie.
    »Schon gut«, sagte Bitterblue zu Giddon, als er sie hilflos ansah. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Kümmern Sie sich um Rood. Ich kenne seine Ringe.«
    »Ich würde Ihnen den Anblick lieber ersparen, Königin.«
    »Für mich ist es nicht so schmerzlich wie für Rood.«
    Giddon sprach über die Schulter gewandt mit Ornik. »Bleib bei der Königin«, sagte er unnötigerweise, denn Ornik war bereits näher gekommen. Er roch nach Erbrochenem.
    »Ist es so schlimm, Ornik?«, fragte Bitterblue.
    »Sehr schlimm, Königin«, sagte Ornik grimmig. »Ich zeige Ihnen nur seine Hände.«
    »Ich würde gern sein Gesicht sehen, Ornik«, erwiderte sie, ohne zu wissen, wie sie erklären sollte, dass sie alles sehen musste, was es zu sehen gab. Nur damit sie Bescheid wusste und es möglicherweise verstehen konnte.
    Und ja, sie erkannte die Ringe, die die Haut der schrecklich aufgedunsenen Hand abschnürten, obwohl der Rest von ihm unkenntlich war. Kaum noch menschlich; stinkend; sein Anblick fast nicht zu ertragen. »Das sind Runnemoods Ringe«, erklärte sie Ornik. Und das beantwortet die Frage, ob Runnemood der Einzige ist, der es auf die Wahrheitssucher abgesehen hat. Dieser Körper hat  – sie zählte in Gedanken die Tage – vor vier Nächten kein Feuer in der Stadt gelegt.
    Er wäre sowieso gestorben, wenn er für seine Verbrechen verurteilt worden wäre. Warum ist es dann so schrecklich, ihn tot zu sehen?
    Ornik verhüllte den Leichnam mit einer Decke. Als Giddon zu ihnen trat, wandte Bitterblue den Blick und sah, dass Darby gekommen war und mit einem Arm um Rood neben ihm kniete. Und hinter ihnen ragte Thiel auf, mit leeren Augen wie ein Geist.
    »Kann man irgendwie erkennen, was passiert ist?«, fragte Bitterblue.
    »Ich glaube nicht, Königin«, sagte Giddon. »Nicht bei einer Leiche, die so lange im Fluss lag wie diese hier.

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