Die Königliche (German Edition)
dass seine Gabe eine stärkere Wirkung auf mich hatte, als das tatsächlich der Fall war; ich habe bewahrt, was ich konnte; ich habe neu geschrieben, was ich konnte, und es versteckt. Aber es war nie genug«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Er hat diese Bibliothek und alle anderen Bibliotheken geplündert und ich konnte ihn nicht daran hindern. Wenn er den Verdacht hatte, dass ich ihn belog, schnitt er mich, und immer, wenn er mich einer Lüge überführte, quälte er meine Katzen.«
Eine Träne rann über Todds Gesicht. Lovejoy begann sich gegen seinen festen Griff zu wehren. Und Bitterblue wurde bewusst, dass das Fell einer Katze vielleicht auf eigenartige Weise um ihren Körper lag, wenn ihre Haut von Messern aufgeschlitzt worden war. Und dass die Seele eines Mannes vielleicht auf unfreundliche Weise durch seinen Körper flimmerte, wenn er so lange mit Schrecken und Leid allein gewesen war.
Sie konnte nichts tun, um dieses Leid zu lindern, und wollte Todd nicht mit allzu gefühlvollem Verhalten verschrecken. Aber einfach zu gehen, ohne jede Reaktion auf das, was er gesagt hatte, brachte sie auch nicht über sich. Konnte sie etwas tun, das richtig war? Oder gab es nur tausend falsche Möglichkeiten?
Bitterblue ging um den Schreibtisch herum und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. Als er einmal stoßweise ein- und ausgeatmet hatte, folgte sie einem erstaunlichen Impuls, beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die trockene Stirn. Er atmete noch einmal tief durch. Dann sagte er: »Ich werde diese Chiffre für Sie entschlüsseln, Königin.«
Unter Thiels Leitung wanderten die Papiere reibungsloser über ihren Schreibtisch als in den vergangenen Wochen.
»Jetzt, wo wir November haben«, sagte sie zu ihm, »können wir auf baldige Antwort meines Onkels hoffen mit einem Rat, wie ich die Menschen entschädigen kann, die Leck bestohlen hat. Ich habe ihm doch Anfang September geschrieben, erinnern Sie sich? Es wird eine Erleichterung sein, sich an die Arbeit machen zu können. Das wird mir das Gefühl geben, wirklich etwas zu tun.«
»Ich habe die Theorie, dass die Knochen im Fluss von Leichen stammen, die König Leck dort entsorgt hat, Königin«, entgegnete Thiel.
»Was?«, fragte Bitterblue erschrocken. »Hat das irgendetwas mit den Entschädigungen zu tun?«
»Nein, Königin«, sagte Thiel. »Aber die Leute stellen Fragen über die Knochen und ich überlege, ob wir nicht eine Erklärung abgeben sollten, dass König Leck sie dort entsorgt hat. Das würde den Spekulationen ein Ende bereiten, Königin, und wir könnten uns auf Angelegenheiten wie die Entschädigungen konzentrieren.«
»Verstehe«, erwiderte Bitterblue. »Ich würde lieber warten, bis Madlen ihre Untersuchung abgeschlossen hat, Thiel. Wir wissen ja noch gar nicht, wie die Knochen dort hingelangt sind.«
»Natürlich, Königin«, sagte Thiel mit formvollendeter Korrektheit. »Ich werde schon mal eine Erklärung vorbereiten, so dass sie jeden Moment abgegeben werden kann.«
»Thiel.« Bitterblue legte die Feder weg und sah ihn an. »Es wäre mir lieber, Sie würden Ihre Zeit auf die Frage verwenden, wer in der Oststadt Häuser in Brand setzt und Leute ermordet, anstatt eine Erklärung zu schreiben, die vielleicht nie abgegeben wird! Jetzt, wo Hauptmann Smit abwesend ist«, sagte sie und versuchte dabei, ihre Stimme nicht zu sarkastisch klingen zu lassen, »finden Sie doch für mich heraus, wer stattdessen für die Untersuchung verantwortlich ist. Ich möchte, dass mir weiterhin täglich Bericht erstattet wird, und Sie sollten auch wissen, dass mein Vertrauen in die Monsea-Wache ziemlich erschüttert ist. Wenn sie es zurückgewinnen wollen, sollten sie ein paar Antworten finden, die sich mit denen meiner eigenen Spione decken, und zwar schnell.«
Natürlich fanden ihre eigenen Spione überhaupt keine Antworten. Keiner in der Stadt hatte etwas Hilfreiches anzubieten; die Spione, die ausgesandt waren, etwas über die Leute auf Teddys Liste herauszufinden, hatten nichts entdeckt. Aber das musste die Monsea-Wache ja nicht wissen und Thiel auch nicht.
Eine Woche nachdem Madlen und Saf nach Silverhart aufgebrochen waren, erhielt Bitterblue einen Brief, der – möglicherweise – erklärte, warum ihre Spione immer noch keine Antworten fanden.
Der erste Teil des Briefes war in Madlens eigenartiger, kindlicher Handschrift verfasst.
Wir bergen Hunderte von Knochen. Tausende, Königin. Ihr Sapphire und sein Team holen sie schneller hoch, als
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