Die Königliche (German Edition)
unerträgliche Höhe zu ziehen, die die heutige Arbeit erforderte. Er sah gut aus – das Wasser hatte ihm offenbar keinen Schaden zugefügt – und die Art, wie er da vor ihr stand, hatte etwas Ruhiges. War er weniger feindselig?
»Ich möchte dir etwas zeigen und dich um etwas bitten«, sagte Bitterblue. »Würdest du irgendwann in der nächsten Stunde mal in die Bibliothek kommen?«
Saf nickte kurz. Hinter ihm band sich Fox ein Seil an den Gürtel und schien sie nicht zu bemerken.
Todd verstaute alle Tagebücher, an denen Bitterblue gerade nicht arbeitete, in einem niedrigen Schrank unter seinem Schreibtisch. Als Bitterblue nach einem von ihnen fragte, schloss er den Schrank auf und reichte es ihr ungeduldig.
Wenig später kam Saf mit hochgezogenen Augenbrauen in die Bibliotheksnische und sie gab ihm das Buch. Er blätterte es durch und fragte: »Was ist das?«
»Eine Chiffre, die wir nicht entschlüsseln können«, sagte sie, »in Lecks Handschrift. Wir haben fünfunddreißig Bände gefunden.«
»Einen für jedes Jahr seiner Herrschaft«, sagte Saf.
»Ja«, erwiderte Bitterblue und gab sich Mühe, so auszusehen, als wäre ihr das bereits aufgefallen. Als hätte er ihr nicht gerade einen Hinweis geliefert, den sie an die Entschlüsselungsgruppe weitergeben könnte. Wenn jedes Buch einem Jahr entsprach, könnten sie dann vielleicht Ähnlichkeiten zwischen den entsprechenden Teilen der unterschiedlichen Tagebücher herausarbeiten? Würde sich zum Beispiel der Anfang jedes Buches auf den Winter beziehen?
»Ich will, dass du es mitnimmst«, sagte Bitterblue, »aber du musst es geheim halten, Saf. Zeig es niemandem außer Teddy, Tilda und Bren, erzähl niemandem davon, und wenn euch nichts Nützliches dazu einfällt, bring es zurück. Lass dich nicht damit erwischen.«
»Nein«, sagte Saf, schüttelte den Kopf und streckte es ihr wieder entgegen. »Ich nehme es nicht – nicht nach allem, was passiert ist. Irgendjemand findet es bestimmt heraus. Ich werde bestimmt angegriffen, sie nehmen es mir ab und dein Geheimnis kommt ans Licht.«
Bitterblue stieß einen kurzen Seufzer aus. »Dagegen kann ich nichts sagen. Nun denn, würdest du es dir ansehen, den anderen davon erzählen und mich wissenlassen, was sie davon halten?«
»Ja, ist gut«, sagte er, »wenn du meinst, das hilft.«
Jemand hatte ihm die Haare geschnitten. Sie waren jetzt dunkler und einzelne Strähnen standen schrecklich liebenswert in alle Richtungen ab. Verwirrt von seiner Bereitwilligkeit, ihr zu helfen, und im Bewusstsein, dass sie ihn anstarrte, ging sie zum Wandbehang, während er erneut das Buch durchblätterte. Die traurigen grünen Augen der Frau in Weiß beruhigten sie.
»Und was ist die Bitte?«, fragte er.
»Was?« Sie fuhr herum.
»Du hast gesagt, du wolltest mir etwas zeigen«, sagte Saf und hob das Buch hoch, »und mich um etwas bitten. Was immer es ist, ich werde es tun.«
»Du … du wirst es tun?«, fragte sie. »Du wirst nicht mit mir streiten?«
Sein Blick ruhte mit einer Offenheit auf ihrem Gesicht, die sie seit der Nacht, in der er sie geküsst hatte, sie dann auf dem Friedhof weinen sah und sich selbst dafür die Schuld gab, nicht mehr darin gesehen hatte. Er sah leicht verlegen aus. »Vielleicht hat das kalte Wasser mir den Kopf freigespült«, sagte er. »Wie lautet die Bitte?«
Sie schluckte. »Meine Freunde haben ein Versteck für dich entdeckt. Wenn es wegen der Krone Schwierigkeiten gibt und du untertauchen musst, würdest du dann zum Zugbrückenturm auf der Winged Bridge gehen?«
»Ja.«
»Das war es schon«, sagte sie.
»Dann gehe ich jetzt zurück an die Arbeit?«
»Saf«, sagte sie, »ich verstehe das nicht. Was hat das zu bedeuten? Sind wir wieder Freunde?«
Die Frage schien ihn zu verwirren. Vorsichtig legte er das Tagebuch zurück auf den Tisch. »Vielleicht sind wir etwas anderes, noch Ungeklärtes.«
»Ich verstehe nicht, was das heißt.«
»Ich glaube, das ist genau der Punkt«, sagte er und fuhr sich etwas hoffnungslos mit der Hand durchs Haar. »Ich habe eingesehen, dass ich mich kindisch benommen habe. Und ich kann dich wieder klar sehen. Aber trotzdem kann es nie wieder so werden, wie es mal war. Ich gehe jetzt, Königin«, fügte er hinzu, »wenn es recht ist.«
Als sie nicht antwortete, wandte er sich um und ging. Nach einer Weile setzte sie sich wieder an den Tisch und versuchte sich noch ein bisschen weiter durch das Buch über Monarchie und Tyrannei zu quälen. Sie las etwas über
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