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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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nie richtig kennengelernt.«
    »Lass uns reingehen«, sagte sie und schob ihn weg. Sie war so enttäuscht über ihre eigene Hilflosigkeit, dass sie ihm die Trauer, die sie verspürte, nicht zeigen wollte. Es gab Verbrechen, die eine Königin nie würde sühnen können.
    »Es fehlt noch eine Runde Fragen, Sparks«, sagte er.
    »Nein. Das reicht.«
    »Ich frag dich was Nettes, Sparks, versprochen.«
    »Was Nettes?«, schnaubte Bitterblue. »Was, bitte, verstehst du unter einer netten Frage, Saf?«
    »Ich frage nach deiner Mutter.«
    Das war das Letzte, worüber sie jetzt lügen konnte. »Nein.«
    »Ach, komm schon. Wie ist das?«
    »Wie ist was?«
    »Eine Mutter zu haben.«
    »Warum willst du das wissen?«, fuhr sie ihn wütend an. »Was ist los mit dir?«
    »Warum bist du so aggressiv, Sparks? Was in meinem Leben einer Mutter am nächsten kam, war ein Seemann namens Pinky, der mir beigebracht hat, wie man mit einem Dolch im Mund an einem Seil hochklettert und vom Masttopp aus auf die Leute runterpinkelt.«
    »Das ist widerlich.«
    »Siehst du? Genau darauf will ich hinaus. Deine Mutter hat dir wahrscheinlich nie etwas Widerliches beigebracht.«
    Wenn du eine Ahnung hättest, was du mich da fragst , dachte sie. Wenn du auch nur die geringste Ahnung hättest, mit wem du sprichst. Sie konnte nichts Sentimentales oder Verletzliches in seiner Miene entdecken. Das war nicht die Vorrede zu einer herzergreifenden Geschichte über einen Kindermatrosen auf einem fremden Schiff, der sich nach seiner Mutter sehnte. Er war einfach nur neugierig; er wollte etwas über Mütter erfahren und die Einzige, die sich durch die Frage verletzt fühlte, war Bitterblue.
    »Was meinst du damit, du willst etwas über sie wissen?«, fragte sie in etwas geduldigerem Tonfall. »Deine Frage ist zu ungenau.«
    Er zuckte die Schultern. »Ich bin nicht wählerisch. Hat sie dir das Lesen beigebracht? Als du klein warst, habt ihr da im Schloss gewohnt und zusammen gegessen? Oder wohnen die Schlosskinder in den Spielzimmern? Erzählt sie manchmal von Lienid? Hat sie dir das Backen beigebracht?«
    Bitterblues Gedanken schwirrten um all das, was er sagte, Bilder stiegen vor ihrem inneren Auge auf. Erinnerungen, von denen einige präzisiert werden wollten. »Ich habe nicht in den Spielzimmern gewohnt«, sagte sie aufrichtig. »Ich war meistens bei meiner Mutter. Ich glaube nicht, dass sie mir das Lesen beigebracht hat, aber sie hat mir andere Sachen beigebracht. Sie hat mir Rechnen beigebracht und alles über Lienid.« Dann sprach Bitterblue eine andere Gewissheit aus, die sie traf wie der Blitz. »Ich glaube – ich erinnere mich –, dass mein Vater mir das Lesen beigebracht hat!«
    Sie griff sich an den Kopf und wandte sich ab, als sie sich daran erinnerte, wie Leck ihr am Tisch in den Räumen ihrer Mutter geholfen hatte, Wörter zu buchstabieren. Erinnerte sich an das Gefühl eines kleinen bunten Buchs in der Hand; erinnerte sich an seine Stimme, seine Ermutigungen, seinen Stolz auf ihre Fortschritte, als sie mühsam die Wörter zusammensetzte. »Liebling!«, hatte er gesagt. »Du bist wunderbar. Du bist ein Genie.« Sie war noch so klein gewesen, dass sie auf dem Stuhl knien musste, um an den Tisch zu reichen.
    Es war eine äußerst verwirrende Erinnerung. Einen Augenblick lang, hier mitten auf der Straße, fühlte Bitterblue sich ganz verloren. »Stellst du mir bitte eine Rechenaufgabe?«, bat sie Saf unsicher.
    »Wie bitte?«, fragte er. »Du meinst so was wie: Was ist zwölf mal zwölf?«
    Sie funkelte ihn an. »Das ist eine Beleidigung.«
    »Sparks, hast du den Verstand verloren?«
    »Lass mich heute hier schlafen«, bat sie. »Ich muss hier schlafen. Darf ich hier schlafen?«
    »Was? Natürlich nicht!«
    »Ich werde nicht herumschnüffeln. Ich bin keine Spionin, weißt du noch?«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob du überhaupt mit reinkommen solltest, Sparks.«
    »Lass mich wenigstens Teddy besuchen!«
    »Willst du deine letzte Frage nicht stellen?«
    »Du musst sie mir schuldig bleiben.«
    Sapphire betrachtete sie skeptisch. Dann schüttelte er seufzend den Kopf und holte einen Schlüssel heraus. Er öffnete die Tür gerade so weit, dass Sparks hindurchpasste, und winkte sie hinein.
    Teddy lag flach und schlaff auf einer Pritsche in der Ecke wie ein Blatt auf der Straße, auf das es den ganzen Winter über geschneit und den ganzen Frühling über geregnet hat; aber er war wach. Als er sie sah, breitete sich ein äußerst liebenswürdiges Lächeln

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