Die Königsmacherin
der edlen Tiere, die so gewichtige Lasten über solch unwegsame abschüssige Pfade zu schleppen hatten. Er pries den Himmel, daß sich seine geliebte Frau diesen Martern nicht aussetzen mußte, sondern sich im warmen Heim um ihr gemeinsames Sorgenkind Sophia kümmerte. Deren seltsame Stimmungsschwankungen beunruhigten die Eltern außerordentlich. Mathilde hatte Sophia dabei erwischt, wie sie sich mit einem Kurzschwert in den Unterarm geschnitten hatte, angeblich um die Schärfe der Waffe zu prüfen. Als er selbst sie einmal in Tränen aufgelöst vorgefunden hatte, schleuderte sie ihm entgegen, daß sie lieber tot als die Tochter eines Sklaven sein wollte. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, sie zusammen mit den beiden edlen Mädchen erziehen zu lassen. Über die hoffnungslose Liebe zu Giselas Bruder Karl würde sie wohl spätestens dann hinwegkommen, wenn andere Männer ihr den Hof machten. Sie war schließlich ein hübsches Mädchen. An ihren Ausflügen in die Welt der Magie gab er sich freilich selbst die Schuld. Er hätte die Abschriften der Papyri besser verstecken sollen. Doch sie hatte ihm ihre eigenen Abschriften auf seine Aufforderung hin widerspruchslos ausgehändigt, und damit war der Fall wohl erledigt. Er neidete seinen Frauen den Platz am warmen Herdfeuer und hoffte inständig, vor Einbruch der Dunkelheit selbst tatsächlich die Herberge zu erreichen, von der der Führer gesprochen hatte.
Als die Reisegesellschaft nach dem Aufenthalt in Bayern drei Tage zuvor von einem Wolkenbruch überrascht worden war, der Weg sich in kürzester Zeit in Schlamm aufgelöst hatte und die Pferde auf dem schweren Boden kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen konnten, hatte er schon geglaubt, daß es nicht schlimmer kommen könnte. Es fand sich am Abend keine Gelegenheit, die vor Schmutz und Kot starrende Kleidung zu säubern. Teles' Mantel war hart wie ein Brett geworden, und dies erwies sich als guter Schutz gegen den Hagelschauer des folgenden Tages. Ihre ständige Begleiterin war die Furcht vor Schnee- und Steinlawinen. Der Nebel, der dann auch noch aufgekommen war, zwang die einheimischen Führer zu unablässigen Rufen, damit die hinter ihnen gehenden und reitenden Menschen nicht vom Weg abirrten und dabei in eine Schlucht stürzten. Die vielen Kreuze am Wegesrand erinnerten an derartige Unglücke. Der jetzige Schneesturm hatte wenigstens den Vorteil, daß man die unheilverheißenden Abgründe nicht mehr sehen konnte.
Teles blickte neben sich, erstarrte und zügelte sein Pferd. Es begann zu rutschen, schnaubte empört und suchte verzweifelt wieder nach festem Boden. Mit aller Kraft klammerte sich der Grieche an die Mähne.
»Anhalten!« brüllte er gegen den Sturm an. »Die Königin ist gestürzt!«
Vorsichtig wandte er sein unruhiges Pferd und hielt sich weiterhin ängstlich fest, als es den abschüssigen Pfad zurückverfolgte. Ein Knecht ergriff das reiterlose Roß der Königin bei seinen Zügeln. Schon nach wenigen Schritten sah Teles einen dunklen Fleck, der sich soeben aus dem Schnee löste. Bertrada bürstete sich mit den Händen die Kleidung ab.
»Gebt mir endlich einen richtigen Sattel!« herrschte sie die Männer an, die ihr zu Hilfe gekommen waren und sie jetzt ratlos umstanden. Sie wandte sich an Teles. »Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, diesen steilen Pfad mit dem holzversteiften Damensattel zu bezwingen! Das Pferd ist so damit beschäftigt, das Gleichgewicht zu halten, es spürt die Gerte ja kaum.«
»Herrin, wollt Ihr wirklich …«, begann Teles unsicher.
»… mit gespreizten Schenkeln auf dem Pferd sitzen? Ja, genau das will ich! Ich sehe nicht ein, weshalb ich es schwerer haben soll als alle anderen, nur weil ich eine Frau bin. Und glaub mir …«, fuhr sie den Mann an, der sich soeben damit abmühte, ihren Damensattel zu lösen, »… dem Druck, den ich ausüben kann, wird sich kein noch so hohes Tier widersetzen können!«
Teles hatte das dunkle Gefühl, daß die Herrin damit nicht nur die vierbeinigen Wesen meinte. Schließlich erreichten sie die lombardische Ebene von Pavia, ohne daß die Königin noch einmal vom Pferd stürzte.
Das also war Desiderata. Da Bertrada als Brautwerberin für ihren Sohn gekommen war, konnte sie es sich erlauben, die junge Frau unverhohlen zu mustern. Nein, eine Schönheit war sie wahrlich nicht, wenn auch nicht so ausnehmend häßlich, wie man ihr berichtet hatte. Mit Wohlwollen hätte man sie zierlich nennen können, Bertrada fand sie einfach nur
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