Die Königsmacherin
sich vor Zorn verfaßte der Papst ein grimmiges Schreiben, das er an beide Frankenkönige richtete. Nie zuvor hatte ein kirchlicher gegenüber einem weltlichen Herrscher seiner Verärgerung so freien Lauf gelassen: »Die Heilige Schrift zeigt, daß Fürsten durch ruchlose Verbindung mit einem fremden Volk gegen die Gebote Gottes verstoßen und sich schwer versündigt haben. Welch ein Wahnsinn, wenn ein Nachkomme Eures erlauchten und edlen Geschlechtes durch die frevelhafte Versippung mit dem treulosen und stinkenden Volk der Langobarden verschmutzt wird, jenem verfluchten Volk, von dem bekanntlich die Aussätzigen abstammen und das stets die Kirche Gottes bekämpft hat! Was hat das Licht mit der Finsternis gemein, der Gläubige mit dem Ungläubigen? Ich, Stephan, bin gewillt, den Freundschaftsbund zu halten, der von den fränkischen Königen mit dem heiligen Petrus eingegangen wurde. Wer es jedoch wagt, dagegen zu handeln, wird kraft der Autorität des Apostelfürsten vom Bannfluch getroffen und fern dem Gottesreich dem ewigen Feuer ausgeliefert werden.«
Da er sich immer noch über die in seinen Augen verräterische Königin ärgerte, fügte er noch ein paar Sätze über die böse Natur des Weibes hinzu, das seit Evas üblem Vorbild die Menschen zur Übertretung der göttlichen Gebote aufstachle. Frauen hätten gefälligst zu schweigen und sich nicht in die Angelegenheiten der Männer einzumischen! Er legte eine Abschrift des Briefes am Grab des heiligen Petrus nieder.
»Jetzt erst recht!« rief Karl, als er seiner Mutter den Brief des Kirchenfürsten vorlegte. Wie erwartet, hatte Desideratas Liebreiz nicht ausgereicht, ihn zu verzaubern. Doch dafür gab es schließlich andere Frauen. Ganz zu schweigen von den verführerischen Geschöpfen, die sich gerade in der Pracht der ersten Blütezeit entfalteten! Voller Wohlgefallen musterte er die zwölfjährige Hildegard und die gleichaltrige Sophia, die zu seiten seiner Schwester auf der Bank saßen und die Köpfe über ihre Handarbeiten gesenkt hielten.
Doch wäre er Paris, würde er den Apfel Gisela überreichen. An Schönheit, Anmut und Klugheit kam keine seiner Schwester gleich. Er dachte an den gar nicht so schwesterlichen Kuß, den ihm Gisela am Vortag gewährt hatte, und verspürte Empörung bei dem Gedanken, daß der fremde Fürst eines ›stinkenden Volkes‹ demnächst diese süßen Lippen küssen sollte. Gisela selbst widerstrebte die Heirat, die sie in ein fremdes Land fern allem Vertrauten und fern dem geliebten Bruder führen würde. Er hatte ihr versprochen, alles daranzusetzen, um diese Eheschließung zu verhindern.
»Mutter ist nicht umzustimmen«, hatte Gisela geklagt.
»O doch! Ich muß nur damit drohen, Desiderata wieder zu ihrem Vater zurückzusenden«, hatte er lachend erwidert. Außer zärtlichen Gefühlen für seine Schwester bewog Karl noch etwas viel Weitreichenderes, die Ehe zwischen Adelchis und Gisela zu verhindern. War nämlich die geliebte Schwester erst mit dem langobardischen Mitkönig verheiratet, mußte er seinen heimlichen Traum von der Eingliederung Italiens in sein Reich fahren lassen. Der Gedanke, seine Schwester nach der Beseitigung ihres Gemahls in ein Kloster geben zu müssen, war höchst unerquicklich. Er bat seine Mutter um ein Gespräch unter vier Augen.
Unter der Bedingung, daß er Desiderata schon in den nächsten Tagen heiratete, gab Bertrada schließlich nach. Sie glaubte keinen Augenblick daran, daß Karl Desiderata zu ihrem Vater zurückschicken würde. Dafür war die Nähe zum langobardischen Königsthron viel zu verführerisch und würde ihm obendrein einen deutlichen Vorteil gegenüber seinem Bruder verschaffen.
Karlmann erschien nicht zur Hochzeit, sondern sandte statt dessen einen empörten Brief, in dem er seinen Bruder als ehe- und eidbrüchigen Heiden beschimpfte. Gleichzeitig schickte er unter der Führung von Abt Fulrad eine Gesandtschaft nach Rom, die das alte Bündnis mit dem Kirchenstaat bekräftigte und dem Papst versprach, ihm notfalls unter Anwendung von Gewalt alle versprochenen Gebiete endgültig zuzuführen.
Papst Stephan gratulierte Karlmann zur Geburt seines zweiten Sohnes und bot sich als Taufpate des Kindes an. Als Bertrada vernahm, daß sich Fulrad die Unterstützung einflußreicher Kreise am Hof des Kirchenfürsten gesichert hatte, machte sie sich beunruhigt abermals auf den Weg nach Süden und heckte mit Desiderius einen neuen Plan aus.
Sie hielt den Langobardenkönig davon ab, mit einem
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