Die Königsmacherin
mager. Karl liebte seine Frauen eigentlich füllig, aber hier ging es schließlich nicht um Zuneigung, sondern um eine dringend notwendige Verbindung. Desideratas engelhaftes langes Blondhaar, das fast bis zum Boden reichte, würde ihm gefallen, aber für einen Kuß müßte er in die Knie gehen oder sie auf einen Stuhl steigen lassen. Entgeistert betrachtete Bertrada das belanglose Geschöpf, das dreizehn Jahre zuvor ihrem Mann den Kopf verdreht hatte und deretwegen sie beinahe verstoßen worden wäre.
Desiderata saß neben ihrem Bruder Adelchis, einem etwas ungelenken jungen Mann von sehr schönen und regelmäßigen Gesichtszügen. Allerdings war auch er eher klein von Gestalt, aber als Mitkönig seines Vaters verfügte er immerhin über eine natürliche Autorität. Bertrada überlegte flüchtig, ob es Mittel gäbe, Giselas Wachstum zu hemmen, damit sie in späteren Jahren nicht auf ihren Mann herabschauen müßte.
»Liebt Euer Sohn die Jagd?« fragte Desiderata mit einer solch lieblichen Stimme, daß Bertrada fast zu antworten vergaß, so sehr verblüffte sie der Klang. Sie dachte daran, wie hart ihre eigene Stimme manchem im Ohr klingen mußte. Pippin hatte wohl nach dem donnernden Lärm des Schlachtgetümmels, dem scheppernden Geklirr der Rüstungen, den dröhnenden Schlägen von Eisen auf Eisen und den gellenden Schreien der Verwundeten in den süßen Lauten der kleinen Langobardin Vergessen gesucht. Diese Stimme mußte ihm auch nach der Rückkehr noch einige Zeit im Ohr geklungen haben, aber daß sie dann endgültig verstummt und verweht war, erschien Bertrada nun glaubhaft. Ja, ihr Mann war damals nur einer kurzfristigen Tollheit erlegen, davon war sie nun mehr denn je überzeugt.
»Er liebt die Jagd«, antwortete sie leicht zerstreut auf Desideratas Frage. »Keiner kann Auerochsen so kunstvoll erlegen wie mein ältester Sohn.«
»Und kann er auch so kunstvoll mit dem Papst umgehen?« erkundigte sich Desiderius lachend. Er reichte Bertrada einen silbernen Pokal, fast bis zum Rand mit schwerem süßem Rotwein gefüllt. »Der Heilige Vater wird diesen Verbindungen schwerlich seinen Segen geben. Wird er sich doch seines bedeutendsten Schutzes beraubt sehen!«
»Das liegt ganz bei Euch«, erwiderte Bertrada. »Die Kurie wartet noch auf Landbesitz, der ihr nach der Pippinischen Schenkung zusteht. Ich darf daran erinnern, daß Euer Vorgänger und Ihr ihm die Herausgabe zugesichert habt.«
Der Langobardenkönig wies seinerseits darauf hin, daß kein fester Zeitpunkt für die Rückgabe der Gebiete vereinbart worden sei, erklärte sich aber bereit, dem Heiligen Stuhl augenblicklich einige Güter im Benevent zu überschreiben. Bertrada sorgte dafür, daß ein Bote diese erfreuliche Mitteilung noch am selben Tag nach Rom brachte. Dies würde ihre eigene Verhandlungsposition mit dem Führer des Kirchenstaates stärken. Sie selbst brach mit ihrem Gefolge am nächsten Morgen auf.
Nachdem sie am Grab des Apostels Petrus ein Gebet gesprochen hatte, wurde die Königin von Stephan III. – oder IV. – empfangen. Unbeeindruckt von der Pracht des Lateranpalastes und dem funkelnden Ornat des Papstes, senkte sie das Haupt und bat Stephan demütig um seinen Segen für ihre Friedensmission. Dieser habe sie seit dem Tod ihres überaus geliebten Gemahls ihr Leben geweiht. Der Papst spielte aus, was er für seinen größten Trumpf hielt, und fragte sie, ob ihr bekannt sei, daß er ihren überaus geliebten Gemahl daran gehindert habe, sich mit dem langobardischen Königshaus ehelich zu verbinden. Bertrada nickte und dankte ihm aufrichtig. Dann seien es wohl nur Gerüchte, meinte er lauernd, wonach sich das Haus der Franken wieder einmal mit dem Erzfeind des Heiligen Stuhls über eine Eheschließung zu verbinden gedenke. Doch er konnte Bertrada nicht entlocken, ob dies nun tatsächlich beabsichtigt sei. Sie versicherte nur wortreich, mit der Gütergabe des Langobardenkönigs sei erst der Anfang gemacht. Der Kirchenstaat werde in Kürze alle Gebiete erhalten, die ihm noch zustünden. Papst Stephan wußte genau, daß ihn seine Gegner der Schwäche bezichtigten. Er brodelte innerlich, weil es ihm einfach nicht gelingen wollte, dieses Weib zu einer eindeutigen Antwort zu bewegen.
Die erhielt er dafür einige Tage später von seinen Kundschaftern. Sie berichteten ihm, daß sich die Königin auf den Heimweg ins Frankenland begeben hatte und dabei von der Tochter des Langobardenkönigs und deren Brautführern begleitet wurde.
Außer
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