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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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jeglicher Mittel überhaupt tun? Aber warum sollte sie überhaupt etwas tun? Nach dieser Schande blieb ihr nur der Tod. Und der würde schon schnell genug kommen, denn sie war dem Wald schutzlos ausgeliefert.

2
    A UFBRUCH
    Sie erwachte mit einem Ruck, als sie ihren Namen hörte. Die Männerstimme, die ihn ausgesprochen hatte, redete erregt in der vertrauten fränkischen Mundart ihres Vaters weiter: »Ihr seid also jetzt mit meinem Haus verwandt, Frau Berta! Übertragt den Haß gegen meinen Vater nicht auf mich, seinen Nachfolger als Hausmeier hier in Austrien, und es wird Euer Schade nicht sein.«
    Bertrada öffnete die Augen einen Spalt, schloß sie aber sogleich wieder, denn das Licht schmerzte. Es drang durch ein kleines Fenster unter der Zimmerdecke und flutete unmittelbar auf das Kopfende ihres Lagers. Zu lange hatten Haare, Schmutz, die schwarze Farbe von getrocknetem Fledermausblut, Kohle und Holunder um ihre Lider sowie das Blätterwerk des Waldes die Helligkeit von ihr ferngehalten. Aber der kurze Augenblick hatte genügt, um zwei Menschen an der Tür auszumachen, einen dunkel gekleideten Mann mit wirren schwarzen Haaren und eine magere Frau mit hoher Haube. Es mußte bereits Mittag sein, wenn die Sonne schon so hoch stand.
    »Drohungen, lieber Verwandter, bewirken bei mir eher das Gegenteil«, vernahm sie die kalte Stimme ihrer Großmutter. »Ich lehne Euch allein deshalb nicht ab, weil Eure Erziehung im Kloster zu Echternach uns in Prüm zu mehr Hoffnungen berechtigt als die Eures Bruders bei den Langobarden oder in der liederlichen Umgebung Neustriens.«
    »Eure Enkelin ist jetzt mit meinem Bruder verheiratet, also wird er zu gegebener Zeit Eure austrischen Gebiete in Besitz nehmen«, gab der Mann zu bedenken.
    »Da mit meinem Ableben vorerst nicht zu rechnen ist, so Gott will …«, ihre Stimme klang, als hätte Gott keine andere Wahl, als sich ihrem Willen zu beugen, »… werde ich, Herr Karlmann, mich nicht mit Mutmaßungen darüber aufhalten, was Bertradas Ehemann Pippin irgendwann einmal mit meinen Besitztümern zu tun gedenkt.«
    Bertradas Ehemann? Die junge Frau im Bett stieß einen kleinen Laut aus. Schritte näherten sich dem Lager, eine kühle trockene Hand legte sich auf ihre Stirn. Bertrada hielt die Augen geschlossen. Sie wollte mehr hören. Herr Karlmann? Der Bruder Pippins? Wie konnte Pippin verheiratet sein, da seine Braut doch verschwunden war? Ich bin die, von der ihr sprecht, und ich habe niemanden geheiratet! Sie öffnete den Mund und gleich danach die Augen, als ihr ein von Kräutersud durchtränkter Lappen auf die Lippen gelegt wurde.
    »Wie geht es dir, Flora von Ungarn?« Frau Berta hatte ins Lateinische übergewechselt. Sie saß jetzt auf einer Bank neben dem Bett und ließ das Tuch in eine Schüssel neben sich fallen.
    Bertrada antwortete nicht. Sie starrte gebannt auf den Mann, der sich ebenfalls dem Bett genähert hatte.
    Hätte er bei einem Ausritt in Laon ihren Weg gekreuzt, wäre sie zu Tode erschrocken und hätte wohl angenommen, den Leibhaftigen vor sich zu sehen. Doch seitdem waren Äonen vergangen. Ihr Blick hatte in der Zwischenzeit weit Schlimmeres ertragen müssen als ein vom Wetter gegerbtes scharfgeschnittenes Gesicht, dessen linke Hälfte durch eine flammendrote Narbe verunstaltet war, die sogar eine Schneise durch den krausen bläulichschwarzen Bart geschlagen hatte. Aus ihrer Perspektive konnte Bertrada unter dem Gestrüpp buschiger Brauen dunkelbraune Augen erkennen. Diese musterten sie gründlich und schienen dabei sogar freundlich zu lächeln. Das nahm dem Gesicht sofort den furchterregenden Ausdruck. Bertrada lächelte schwach zurück.
    »Becher und Krug«, befahl Frau Berta, als wäre Karlmann ein Gehilfe. Er trat an einen grobgezimmerten Holztisch, ergriff einen Becher und starrte auf die beiden kleinen Krüge, die dort in tönernen Wasserschüsseln kühl gehalten wurden.
    »Erst Bier, dann Met«, ordnete Frau Berta an und half Bertrada, sich aufzusetzen. Etwas Weiches fiel ihr ins Gesicht. Als sie danach griff, erkannte Bertrada, daß sich die spröden verklebten Strähnen wieder in ein sanftes Vlies verwandelt hatten. Es war unglaublich! Sie faßte rasch nach, fuhr sich durch die Haare, schüttelte den Kopf, daß die Locken flogen, und wickelte rasend schnell eine Strähne nach der anderen um die Finger, als verbündete sie sich mit jedem einzelnen Haar.
    »Sie ist von Sinnen«, bemerkte Karlmann.
    Bertrada hielt inne und starrte ihn böse an.
    »Gut.

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