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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Sie versteht unsere Sprache«, bemerkte Frau Berta befriedigt und hielt ihr den Becher hin. »Schaut sie Euch genau an. Sie ist mit Sicherheit von edler Herkunft. Erkennt Ihr sie?«
    Bertrada mied seinen Blick.
    »Nein«, sagte Karlmann. »Aus Austrien ist sie nicht.«
    »Aus Ungarn aber auch nicht. Wie heißt dein Vater, Flora?«
    Bertrada nahm einen tiefen Schluck und schloß die Augen.
    »Was werdet Ihr mit ihr machen?« fragte Karlmann.
    »Ich werde sie nach Mürlenbach mitnehmen. Wenn sie lesen und schreiben kann, wird sie bei mir ein Auskommen haben. Ich habe dringende Korrespondenz zu erledigen.«
    »Zum Beispiel an meinen Bruder«, sagte Karlmann. »Ihr könnt ihm in einem einzigen Brief zum Tod unseres Vaters kondolieren, zur Hochzeit gratulieren, Erfolg bei der Verwaltung Neustriens wünschen und sich seine Einmischung in unsere austrischen Angelegenheiten verbitten.«
    »Willst du bei mir bleiben, Flora?« fragte Frau Berta, als hätte sie Karlmann nicht gehört.
    Bertrada öffnete die Augen und nickte.
    »Schön!« erklärte Frau Berta. »Dann soll dich die Magd jetzt weiter versorgen. Ich schaue später wieder nach dir.« Sie erhob sich von der Bank. »Und Ihr, Herr Karlmann, erzählt mir jetzt alles über die prächtige Hochzeit meiner Enkelin.«
    Zu Bertradas Bedauern schloß sich die Tür hinter dem Paar. Eine Magd huschte ins Zimmer. Bertrada senkte die Lider und widerstand der Versuchung, sich noch einmal durch ihr Haar zu fahren. Sie mußte nachdenken, und dabei war nichts hinderlicher als eine geschwätzige Dienstbotin. Eine Dienstbotin wie Mima, die Mutter von Leutberga.
    Sie hat es wirklich getan! Leutberga hat mir mein Leben weggenommen! Sie ist tatsächlich als Bertrada von Laon in Saint Denis eingezogen und hat Pippin an meiner Stelle geheiratet! Die Tochter meiner Amme ist jetzt Gemahlin des Hausmeiers! Glaubt sie wirklich, daß sie sich auf Dauer für mich ausgeben kann? Wir sehen uns zwar sehr ähnlich, doch der Betrug wird spätestens dann ans Licht kommen, wenn sie meinen Eltern begegnet oder anderen Menschen, die mich sehr gut kennen! Oder wenn sie sich durch eine Dummheit selbst verrät. Was wird dann geschehen? Wird man wieder nach mir suchen? Ob Leutberga jetzt wohl meine Schuhe anziehen wird? Dann muß sie in jeden davon Wolle hineinstecken, in den linken etwas mehr als in den rechten. Warum hat mich die Großmutter nicht auf meinen Fuß angesprochen? Es wird ja nicht allzu viele Frauen mit ungleichen Füßen geben. Wahrscheinlich hat Vater seiner Mutter nie davon erzählt. Ich glaube, er mag sie nicht und hat ihr ohnehin nicht viel mitgeteilt. Außerdem hat er immer großen Wert daraufgelegt, daß ich dies vor aller Welt verberge. Aber jetzt schäme ich mich nicht mehr wegen meines größeren linken Fußes, glaube nicht mehr, daß mich Gott damit strafen will. Die Muhme hat mich eines anderen belehrt. Die Muhme …
    Tränen stiegen Bertrada in die Augen, als sie an die Alte dachte, der sie ihr Leben verdankte. Dabei hatte sie sterben wollen und es sich ganz einfach vorgestellt: sie würde am Bach liegenbleiben und irgendwann tot sein.
    Doch als sie raschelndes Laub und das Knacken trockener Äste hörte, setzte sie sich auf, zog die Knie an den Leib und schaute angstvoll um sich. Sie dachte an den Wilddieb, der auf Anordnung ihres Vaters dem hungrigen Bären im Käfig des Schloßkellers vorgeworfen worden war. Sie selbst hatte sich das Schauspiel nicht angesehen, aber Leutberga hatte ihr mit behaglichem Gruseln berichtet, es seien noch Schreie aus einem Blutklumpen gekommen, der schon gar nichts Menschliches mehr an sich hatte. Bertrada wollte nicht bei lebendigem Leib von einem wilden Tier zerfleischt werden, nicht spüren, wie ihr die Glieder abgerissen wurden, nicht qualvoll verrecken, sondern sanft in die andere Welt hinübergleiten. Sie begann laut zu beten. Gott, der ihren nächtlichen Schlaf behütete, sollte sie gnädig der ewigen Ruhe zuführen!
    Heiseres Husten drang an ihre Ohren. Kühe konnten wie Menschen keuchen, Bären vielleicht auch? Bertrada kniff wieder die Augen zusammen. Sie hatte nichts, um sich zu wehren, und ergab sich in ihr Schicksal. Doch selbst ein abgerichteter Bär würde kein erschüttertes »Gott behüte!« ausstoßen können, und so hob sie langsam wieder die Lider. Vor ihr stand eine gebeugte Gestalt in einem lehmfarbenen Umhang. Erst bei den nächsten Worten erkannte Bertrada, daß zwischen Nase und Kinn eine Öffnung klaffte, rot und

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