Die Königsmacherin
euch fortgeschickt zu haben«, sagte der Herr in ungewöhnlich mildem Ton. »Die Räuber werden immer dreister. Ich habe nicht damit gerechnet, daß wir so nahe einer Absiedlung überfallen werden können.« Er teilte ihm mit, daß Graf Fulco und Frau Mima ihr Leben dafür hingegeben hätten, seine Gemahlin zu retten. Der Befehlshaber wollte seine Männer sofort hinter den Mördern herschicken, doch Pippin schüttelte den Kopf.
»Sie waren beritten und sind bestimmt nicht mehr einzuholen. Erbeutet haben sie auch nicht viel. Wir bedürfen vielmehr eures Schutzes hier.«
Über die mit Blut verschmierte Felsengruppe sprach man in Prüm noch Monate später. Und man rätselte, woher die unbekannte nackte Frau mit den hübschen Schuhen wohl gekommen war, die im Wald derartig bestialisch abgeschlachtet worden war. Als Pippin die Kunde von der fremden Frauenleiche zugetragen wurde, stieg seine Hochachtung vor Frau Berta. Er hatte nie recht glauben wollen, daß sie ihren Umhang wirklich vergessen hatte. Sie hatte gut daran getan, so glaubte er, Leutberga zu töten und unkenntlich zu machen.
Den Bediensteten von Frau Bertas Haushalt in Prüm war mitgeteilt worden, daß Flora nach ihrem Ohnmachtsanfall erkrankt sei und in der Abtei behandelt werde. Frau Bertas Kammerfrau fand es allerdings ziemlich seltsam, daß die Schuhe der jungen Frau verschwunden sein sollten. Wer würde schon zwei verschieden große Schuhe stehlen, fragte sie die Herrin verwundert. Sie selbst habe der Kranken die Schuhe gebracht, erwiderte Frau Berta leicht ungehalten, schließlich hoffe sie doch, daß Flora bald wieder aufstehen und nach Mürlenbach reiten könne.
Die Bediensteten fanden es enttäuschend, daß die Gemahlin des Hausmeiers nach dem schrecklichen Erlebnis zu geschwächt war, um sich außerhalb des Gastraums der Abtei zu zeigen. Zu gern hätte man sich die Enkelin der Klosterstifterin genauer angesehen. Eltern und Großmutter teilten sich die Pflege der angeblich Kranken, und die wenigen Mägde, denen man kurz Zutritt gewährte, berichteten den anderen ehrfurchtsvoll von Grauwerk- und Zobelpelzen, von vergoldeten Gürteln, von einer Tunika aus violetter Seide und einem Purpurgewand mit goldenen Scheibenfibeln, die das sonst so karg ausgestattete Gastzimmer aufhellten. Mitten zwischen diesen Schätzen schien es der Gemahlin Pippins sehr schlecht zu gehen, da der fremde Pater täglich stundenlang an ihrem Bett betete.
Tatsächlich betete Pater Fulrad ziemlich wenig mit Bertrada. Er nutzte vielmehr die Zeit, um sie auf ihre künftige Tätigkeit vorzubereiten, und begann damit, ihr eine Liste aller Menschen vorzulegen, die in Pippins Umfeld eine Rolle spielten. Er beschrieb sie sehr anschaulich. Bischof Chrodegangs Gesicht lasse zum Beispiel an eine spärlich behaarte runde Wurzelknolle denken, das des Seneschalls an einen geschorenen Marder, und Bertradas Kammerfrau gleiche einer vollgefressenen riesigen Made mit Fischaugen. Als er beginnen wollte, Karlmann zu beschreiben, unterbrach Bertrada seine Ausführungen.
»Herrn Karlmann kenne ich gut«, erklärte sie. »Er hält sich oft bei Frau Berta auf, und wir werden ihn nicht täuschen können.«
Es zog ihr das Herz zusammen, als sie daran dachte, wie erschüttert er wohl sein würde, wenn er erfuhr, wer sie wirklich war. »Er hat mich sogar gebeten, seine Frau zu werden«, murmelte sie.
Das offenbarte ein Hindernis, mit dem Pater Fulrad nicht gerechnet hatte. Er blickte von seinen Aufzeichnungen hoch und musterte Bertrada aus Augen, die sie an einen ungezähmten Habicht denken ließen, und bemerkte nachdenklich: »Dann ist es sicher besser, wenn er vorerst noch nicht eingeweiht wird.«
Da war es schließlich allen Beratern gelungen, die Brüder auf gemeinsamen Kurs einzuschwören, Einigkeit zum Wohl des gesamten Frankenreichs herzustellen, und dann kam eine Frau daher, die wieder Zwietracht säen konnte. Er erwog kurz, Pippin zu empfehlen, auch dieses Weib einfach verschwinden zu lassen und sich eine neue Gemahlin zu nehmen. Schnell aber sah er ein, daß dies im Fall der echten Bertrada womöglich so viel Staub aufwirbeln würde, daß beide Hausmeier daran ersticken könnten.
»Karlmann ist zur Zeit mit der neuen Synode sowieso sehr beschäftigt«, meinte der Pater grübelnd. »Sie beginnt in wenigen Tagen in der Villa Listinas, nahe Lüttich.«
»Wieso denn schon wieder ein Konzil?« fragte Bertrada überrascht.
»Es soll jetzt jedes Jahr eins geben«, berichtete der Pater. Und
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