Die Königsmacherin
legte sich vorsichtig nieder, während Bertrada mit den Fingern den Gegenstand, der von seinem Hals baumelte, neugierig ertastete.
»Was ist das für ein Zahn?«
»Er stammt von dem ersten Eber, den ich erlegt habe«, erklärte Pippin. »Und er hat mir stets Sieg und Erfolg gebracht.«
»Die römische Kirche hat aber das Tragen von Amuletten verboten«, erinnerte sich Bertrada an eine Lektion Pater Fulrads und griff mit der anderen Hand unter ihr Kissen, um sich zu vergewissern, daß der Wermutzweig noch an seinem Platz lag. Es konnte schließlich nicht schaden, den bösen Geistern etwas entgegenzusetzen.
»Ich weiß«, antwortete Pippin, »aber soll ich etwa einen Zahn wegwerfen, der mir Glück gebracht hat? Das wäre doch undankbar.« Er hatte sich etwas näher an sie herangeschoben und fragte sich, ob er es wagen durfte, sie zu umarmen.
Ach, wie gern würde ich sie an mich ziehen, sie kosen und herzen!, dachte er. Keine Frau hat sich mir je verweigert, und es ist doch herzlos, mich für ein so altes Vergehen so grausam zu bestrafen! Wie beschämend, um ihre Gunst betteln zu müssen! Aber ich will sie, ich will sie um jeden Preis! Und wenn ich dafür all die Mittel anwenden muß, über die ich bisher gelacht habe. Soll ich ihr Begehren nun mit den Hoden eines Stiers erwecken? Oder mit dem eines Rehbocks? Ihre Wollust mit Ameiseneiern im Badezuber anstacheln? Das soll besonders wirksam sein. Oder soll ich ein Stück Wolle mit Fledermausblut tränken? Das ist einfacher, als mit Taubenblut ihr Bildnis auf ein Hundefell zu malen und den Geistern zu befehlen, den Körper der Frau in Besitz zu nehmen. Zu welchem Heiligen muß ich beten, damit sie mich endlich erhört? Welche Reliquie beschaffen? Ach, wie duftet ihr Haar so süß!
Vorsichtig legte er einen Arm um sie.
»Auf dem Boden ist es wohl sehr kalt«, bemerkte Bertrada, ließ den Zahn los, stieß Pippins Arm fort und rückte von ihm ab. »Du kannst im Bett bleiben, solange du mich nicht anrührst.«
Pippin hatte ein weiteres Hindernis überwunden. Doch er wußte, daß noch ein langer Weg vor ihm lag. Er war bereit, ihn zu gehen, denn in den drei Tagen, die er Bertrada jetzt kannte, war ihm deutlich geworden, daß sie tatsächlich die Gefährtin sein könnte, die ihm so sehr gefehlt hatte. Allerdings war es weniger sein Herz, das ihm diese Überzeugung eingab, als sein Verstand, dem er erheblich mehr vertraute. Bertrada hatte sich als kühn erwiesen und als eine Frau, die ihren Kopf nicht nur mit Wissen gefüllt hatte, sondern es auch einzusetzen wußte. Eine Frau, die nachdenken und ungewöhnliche Schlüsse ziehen konnte, und das machte sie für ihn noch begehrenswerter, als es ihr Körper allein vermocht hätte. Sein Bruder hatte ihm nach den mißglückten Versuchen mit den drei käuflichen Schönen von ehedem mitgeteilt: »Wenn dich eine Frau wirklich in ihren Bann gezogen hat, dann gibt es für dich keine andere mehr.« Pippins Späher hatten zwar nicht in Erfahrung bringen können, wo Karlmann seine heimliche Geliebte versteckte, aber zweifellos bereitete sie seinem Bruder höchste Wonnen. Er konnte sich durchaus vorstellen, über eine lange Zeit anderen Gespielinnen zu entsagen, wenn Bertrada sich ihm endlich hingab. Solange dies allerdings nicht der Fall war, gab es keinen Grund, das alte Leben aufzugeben. Frau Bertas Kammerfrau hatte ihm bereits mehrmals verheißungsvoll zugeblinzelt.
Am nächsten Tag erhielt Pippin die Nachricht vom Tod des lombardischen Königs Liutprand. Er erfuhr, daß Ratchis, sein Thronfolger, den zwanzigjährigen Waffenstillstand mit dem Papst hatte erneuern lassen. Aus seiner Zeit am Langobardenhof wußte Pippin, das Ratchis sehr fromm war und sich voraussichtlich nicht gegen den Heiligen Vater stellen würde. Da es diesem zuvor schon gelungen war, die Langobarden aus dem römischen Umfeld zu vertreiben, dürfte es im Süden zumindest vorerst ruhig bleiben. Angesichts der Widerstände, mit denen Pippin und Karlmann in ihren eigenen Ländern immer noch zu rechnen hatten, wäre ihnen eine päpstliche Bitte um militärische Unterstützung auch höchst ungelegen gekommen.
Pippin stimmte Bertrada zu, die darauf hingewiesen hatte, daß in diesen veränderten Zeiten die Politik der höflichen Ablehnung, die sein Vater Rom gegenüber gepflegt hatte, nicht mehr angezeigt war. Wenn der Papst Unterstützung anforderte, mußte er sie ihm auch gewähren. Pippin ließ in Prüm eine Messe für die Seele seines Adoptivvaters Liutprand
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