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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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gesehen?«
    Schwester Vigilante sagt: »Wer auch immer meine Bowlingkugel genommen hat, soll sie mir zurückgeben. Ich verspreche, dass ich ihm nicht den Arsch aufreißen werde.«
    An der Spitze der Prozession, den Klumpen in den Armen, \ der einmal Mr. Whittiers Kopf war, geht Mrs. Clark. Sie fragt: »Hat jemand Miss America gesehen?«
    Wenn das hier vorbei ist... also hier wird man den Film unmöglich drehen können. Wenn man uns gefunden hat, wird dieses Haus zu einem Wahrzeichen werden. Zu einem Nationaldenkmal. Zu unserem Museum.
    Nein, egal welche Produktionsgesellschaft den Film machen wird, sie wird nur die großen Räume nachbauen müssen. Das blausamtene französische Louis-quinze-Foyer. Den mit schwarzem Mohair ausgeschlagenen ägyptischen Zuschauersaal. Den mit grünem Satin ausstaffierten italienischen Renaissance-Salon. Das in gelbem Leder gehaltene gotische Raucherzimmer. Die violette Tausend-und-eine-Nacht-Galerie. Das orange Maya-Foyer. Die rote kaiserlich-chinesische Wandelhalle. Jeder dieser Räume in einer anderen kräftigen Farbe, aber alle mit den gleichen goldenen Akzenten.
    Nicht Räume, würde Mr. Whittier sagen, sondern Kulissen. Wir tragen seinen umhüllten Körper durch die großen, hallenden Logen, in denen Leute für den Preis einer Kinokarte zu Königen, Kaisern oder Herzoginnen werden.
    Im Büro hinter der Snackbar im Foyer, in diesem mit Kieferpaneelen vertäfelten kleinen Raum unter der Treppe, hinter der verschlossenen Tür dieses Verschlags stehen Aktenschränke mit Programmheften und Rechnungsformularen, Belegungsplänen und Stechkarten, die an den Rändern schon zu Staub zerfallen. Oben auf den Blättern steht zu lesen: Liberty Theater. Oder: Capital Theater. Oder: Neptune Vaudeville House. Oder: Holy Convention Church. Oder: Temple of Christian Redemption. Oder: Assembly of Angels. Oder: Capital Adult Theater. Oder: Diamond Live Burlesque.
    All diese verschiedenen Namen hatten dieselbe Adresse.
    Hier haben Leute im Gebet gekniet. Und in Sperma gekniet.
    Und alle diese Freuden- und Entsetzens- und Erlösungsschreie sind noch in diesen Betonmauern eingeschlossen. Hallen uns als stumme Echos in den Ohren. Hier, in unserem staubigen Himmelreich.
    Am Ende all dieser verschiedenen Geschichten wird unsere Geschichte stehen. Nach den tausend verschiedenen Wirklichkeiten von Schauspielen und Filmen, Gottesdiensten und Stripshows wird dieses Gebäude für alle Zeiten zu unserem Museum.
    Die Kristallkronleuchter, die der Kuppler »Pfirsichbäume« nennt. Das gotische Raucherzimmer, das Genossin Snarky das »Frankenstein-Zimmer« nennt.
    Reverend Gottlos sagt, die orangen Schnitzereien im Maya-
    Foyer leuchten wie Scheinwerfer, gesehen durch die Blütenblätter einer Seidentulpe auf einer klassischen Christian-Lacroix-Turnüre...
    Die Seidentapete in der chinesischen Wandelhalle ist von einem Rot, das nie das Tageslicht gesehen hat. Rot wie das Blut eines Restaurantkritikers, sagt der Killerkoch.
    Die Ohrensessel im gotischen Raucherzimmer sind mit einem sattgelben Leder bezogen, das ebenfalls nie der Sonne ausgesetzt war. Jedenfalls seit man es der Kuh abgezogen hat, sagt Missing Link.
    Die Wände im italienischen Renaissance-Salon sind dunkelgrün mit schwarzen Streifen - ein Anstrich, der zu Malachit wird, wenn man lange genug hinsieht.
    Die Wände im ägyptischen Zuschauersaal sind aus Stuck und Pappmasche. Reliefs der Pyramiden und der Sphinx. Riesige sitzende Pharaonen. Schakale mit spitzen Schnauzen. Endlose Reihen großäugiger Hieroglyphen. Über all dem hängen, vom Schimmel beschwert, die Wedel künstlicher Palmen aus schwarzem Papier. Der schwarze Stuckhimmel über den staubigen Wipfeln ist mit elektrischen Sternen besetzt. Der große Wagen. Orion. Die Sternbilder nur Geschichten, die sich die Menschen ausdenken, um diesen Nachthimmel zu verstehen. Diese Sterne, matt schimmernd hinter Wolken aus Spinnweben.
    Die mit schwarzem Mohair bezogenen Sitze, kratzig wie trockenes Moos auf Baumrinde. Die schwarzen Teppiche, in den Gängen bis auf die graue Unterlage abgetreten.
    Goldene Bordüren in allen Räumen. Neonhelle Goldfarbe. Alles Schwarze im Zuschauersaal, jede Rückenlehne und jede Teppichkante, alles ist in dieses glänzende Gold gefasst.
    Wenn man es sich intensiv genug wünscht, sind diese Bordüren aus echtem Gold. Bei jedem Raum kommt es nur darauf an, was man glaubt.
    Wir in unseren Märchenkostümen aus Samt und Seide und getrocknetem Blut bewegen uns als schwarze

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