Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
Vom Netzwerk:
sind echt, aber so echt nun auch wieder nicht.
    Wenn eine Frau so etwas durchgehen lässt, bringt er ihr und den Kindern nächste Woche Herpes mit. Gonorrhö. Chlamydien. AIDS. Und deshalb quetscht sie Cora aus: »Mit wem vögelt mein Mann in der Mittagspause?«
    Eine gute Ehefrau braucht Cora nur einmal anzusehen die Haarfestigerfrisur, Perlenkette und Nylonkniestrümpfe, Hosenanzug -, um sie aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen. Cora, alte Taschentücher im Ärmel ihrer Strickjacke. Cora, ein Schälchen mit bunten Bonbons auf ihrem Schreibtisch. Die Family-Circus-Cartoons an ihrer Korkpinwand.
    Trotzdem - niemand sagt, Cora Reynolds sei nicht attraktiv.
    Dann erblickt die Ehefrau Direktorin Sedlak mit ihren knallroten Fingernägeln.
    Niemand war groß erstaunt, wenn Cora zu einem kleinen Gespräch gerufen wurde.
    Niemand hätte aber geahnt, dass Cora Reynolds' Tage gezählt waren.
    Die Direktorin lässt Cora ihr gegenüber an dem riesigen Schreibtisch Platz nehmen. Das Direktionsbüro mit dem großen Fenster. Davor die Direktorin, die Sonne im Rücken; draußen der Parkplatz. Mit den Fingern einer Hand winkt sie Cora näher zu sich heran.
    »Es gibt nur zwei Möglichkeiten«, sagt die Direktorin. »Entweder ist mein komplettes Team verrückt. Oder ... Sie treiben es zu weit.«
    Niemand bekam mit, in welchen Abgrund Coras Herz in diesem Augenblick stürzte. Sie versteinerte. Das übliche Verhalten: Man macht sich zu einem Objekt. Man macht aus einem Objekt sich selbst.
    Die Millionen Menschen überall auf der Welt, die noch immer versuchen, Modell Betty zu retten. Vielleicht sollten sie sich lieber um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Vielleicht ist es zu spät.
    Es sind die Kinder, sagt die Direktorin, die machen die Puppen kaputt. Das war immer so. Missbrauchte Kinder missbrauchen alles, was sie in die Finger bekommen. Jedes Opfer findet ein Opfer. Ein ewiger Kreislauf. Sie sagt: »Ich denke, Sie sollten einmal eine Auszeit nehmen.«
    Wenn es hilft, stellt euch Cora Reynolds als hundertzwanzig Pfund schweres Kondom vor...
    Niemand hat das gesagt. Aber das braucht man auch nicht.
    Niemand sagt ihr, sie soll nach Hause gehen und sich auf das Schlimmste gefasst machen.
    Wenn sie ihren Job behalten will, muss Cora das Modell Betty zurückgeben, das sie offiziell mit nach Hause genommen hat. Sie muss die Stofftiere abliefern, die sie mit öffentlichen Geldern erworben hat. Sie muss die Schlüssel zum Krankenzimmer abgeben. Unverzüglich. Und den Raum und die anatomisch korrekten Puppen der gesamten Belegschaft zugänglich machen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Unverzüglich.
    Cora fühlte sich wie jemand, der zig Milliarden Kilometer ohne anzuhalten gefahren ist, zu schnell und ohne Sicherheitsgurt, und plötzlich taucht da eine rote Ampel auf. Resignation, gemischt mit erschöpfter Erleichterung. Cora, ein Schlauch aus Haut mit je einem Loch an den Enden. Ein schreckliches Gefühl, aber es verhalf ihr zu einem Plan.
    Als sie am nächsten Tag zur Arbeit kommt, sieht niemand, wie sie sich in die Asservatenkammer schleicht. Dort lagen Messer, die nach Blut und Sekundenkleber rochen, und jeder konnte sie nehmen.
    Schon hat sich vor ihrem Schreibtisch eine Schlange gebildet. Alle warten, dass der letzte Ausleiher die Puppe zurückbringt. Eine der beiden Puppen. Wenn sie mit dem Silikongesicht nach unten liegen, sehen sie vollkommen gleich aus.
    Cora Reynolds kann man nichts vormachen. Sie lässt sich von niemandem herumschubsen.
    Ein Polizist erscheint, den Jungen unter einem Arm, das Mädchen unter dem anderen. Er schwingt sie auf den Schreibtisch, und die Menge drängt heran und greift nach den Silikonbeinen.
    Niemand weiß, wer die wirklich Verrückten sind.
    Und Cora hebt eine Pistole, das Schildchen mit der Asservatennummer, mit der Fallnummer, hängt noch dran. Sie zeigt mit der Pistole auf die beiden Puppen.
    »Nehmen«, sagt sie. »Und mitkommen.«
    Der kleine Junge trägt nur seine weiße Unterhose, hinten stark verschmutzt. Das Mädchen einen weißen Satinslip mit steifen Flecken. Der Polizist schiebt einen Arm unter die beiden, hebt sie auf und drückt sie sich an die Brust. Die Puppen mit ihren Brustwarzenpiercings und Tätowierungen und Filzläusen. Sie stinken nach Pot und dem Zeug, das aus Modell Betty trieft.
    Cora wedelt mit der Pistole: Er soll zur Tür gehen.
    Umringt von den anderen Männern, treibt Cora den Polizisten durch den Korridor. Er schleppt die Puppen am Direktionsbüro

Weitere Kostenlose Bücher