Die Kolonie
der
Menschheitsgeschichte zu bekämpfen.«
Reverend Gottlos auf der Bühne, die Augenbrauen gezupft und
gestaltet
zu zwiefach gespitzten Bögen, unter denen je ein Regenbogen
glitzernden Lidschattens in Farben von Rot bis Grün erglänzt.
Und auf einem nackten Bizeps, der sich unterm
Spaghettiträger eines mit roten Pailletten besetzten
Abendkleides wölbt, prangt als Tattoo ein Schädel, unterm Kinn
die Worte: Ehre oder Tod.
Auf der Bühne, statt eines Scheinwerfers, ein Filmausschnitt.
Gezeigt wird ein Reisebericht: Kirchen, Moscheen und
Synagogen.
Religionsführer in juwelenbesetzten Roben
winken aus kugelsicheren Autos den Massen zu.
Reverend Gottlos sagt: »Auf einer weiten Ebene im Lande Shinar
arbeiteten alle Menschen zusammen.«
Die ganze Menschheit hatte eine Vision,
einen edlen Traum, für dessen Erfüllung sie
Seite an Seite schuftete in dieser
Zeit, in der es noch keine Armeen, Waffen und Kriege gab.
Dann aber sah Gott ihren Turm, den gemeinsamen
Traum aller Menschen,
langsam in die Höhe wachsen,
ein wenig zu hoch, zu aufdringlich für seinen Geschmack.
Und Gott sprach: »Siehe, sie sind ein Volk ... und das ist
erst der Anfang
ihres Tuns ... Fortan wird Ihnen nichts mehr unmöglich sein,
was immer sie zu tun ersinnen ...«
Seine Worte, in Seiner Bibel. Genesis, Kapitel elf.
»Und da bekam unser Gott«, sagt Reverend Gottlos,
seine nackten Arme
und Waden getüpfelt
mit schwarzen Pünktchen abrasierten Haars, das aus allen Poren
nachwächst, »unser allmächtiger Gott also bekam solche Angst,
dass er die eine Menschheit über die ganze Erde verstreute
und ihre Sprache
verwirrte, um Seine Kinder nicht zueinander kommen zu lassen.«
Halb Frauenimitator, halb US-Marine im Ruhestand, sagt
Reverend Gottlos
in seinen funkelnden roten Pailletten:
»Ein allmächtiger Gott, und so schnell verunsichert?«
Dass er seine Kinder gegeneinander ausspielt, damit sie
schwach bleiben.
Er sagt: »Das ist der Gott, den wir verehren sollen?«
Groggy
Eine Geschichte von Reverend Gottlos
Webber blickt sich um, sein Gesicht krumm und schief, ein Wangenknochen tiefer als der andere. Ein Auge nur noch ein milchweißer Fleck in der schwarzroten Schwellung unter der Stirn. Seine Lippen, Webbers Lippen, sind in der Mitte so tief, gespalten, dass er nicht zwei Lippen hat, sondern vier. Und hinter all diesen Lippen ist kein einziger Zahn mehr übrig.
Webber sieht sich in der Kabine des Flugzeugs um. Die mit weißem Leder bezogenen Wände, die spiegelglatt lackierten Furniere aus Vogelaugenahorn.
Webber starrt in seinen Drink, das Eis im Gebläse der Klimaanlage noch kaum geschmolzen. Da er das Gehör verloren hat, sagt er zu laut, schreit beinahe: »Wo sind wir?«
In einer Gulfstream G550, dem besten Privatjet, den man chartern könne, sagt Flint. Dann schiebt er zwei Finger in eine Hosentasche und reicht Webber etwas über den Gang hinüber. Eine kleine weiße Pille. »Nimm das«, sagt Flint. »Und trink aus, wir sind bald da.«
»Bald wo?«, fragt Webber und spült die Pille runter.
Er sieht sich weiter um: die schwenkbaren Clubsessel aus weißem Leder. Der weiße Teppich. Die Tische aus Vogelaugenahorn, so blank poliert, dass sie nass aussehen. Die weißen Wildledersofas. Die dazugehörigen kleinen Kissen. Die Zeitschriften, groß wie Filmplakate, Elite Traveler, Stückpreis fünfzig Dollar. Die mit vierundzwanzigkarätigem Gold vergoldeten Tassenhalter und die Wasserhähne im Bad. Die Kombüse mit der Espressomaschine und dem im Halogenlicht gleißenden Bleikristall. Mikrowelle, Kühlschrank und Eismaschine. Das alles mit Mach 0,88 in einundfünfzigtausend Fuß Flughöhe irgendwo über dem Mittelmeer. Alle trinken Scotch. Das alles ist schöner als irgendetwas, worin du dich jemals wieder aufhalten wirst. Von einem Sarg mal abgesehen.
Webbers Nase. Wenn er seinen Drink kippt und die dicke, rote Knollennase in die kalte Luft reckt, kann man ihm in die Nasenlöcher sehen. Man sieht, sie führen nirgendwo mehr hin. Aber Webber sagt: »Was riecht hier so?«
Und Flint schnüffelt und sagt: »Schon mal was von Ammoniumnitrat gehört?«
Das Ammoniumnitrat, das ihr Freund Jenson in Florida für sie bereitgehalten hat. Ihr Freund aus dem Golfkrieg. Unser Reverend Gottlos.
»Dünger? Du redest von Dünger?«, sagt Webber.
Und Flint sagt: »Eine halbe Tonne.«
Webbers Hand zittert so heftig, dass man das Eis in seinem leeren Glas klimpern hört.
Dieses Zittern ist bloß
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