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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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traumatisches Parkinson. Traumatische Enzephalopathie, wo es zur Nekrose von Hirngewebe kommt. Neuronen werden durch hirntotes Narbengewebe ersetzt. Du schmückst dich mit einer roten Lockenperücke und falschen Wimpern, singst Playback zu einem Bette-Midler-Song auf dem Collaris County Fair & Rodeo und bietest den Leuten an, dir für zehn Dollar pro Schlag einen in die Fresse zu hauen. Damit kann man gutes Geld verdienen.
    An einem anderen Ort solltest du eine blonde Lockenperücke tragen und deinen Arsch in ein hautenges Paillettenkleid zwängen, deine Füße ins größte Paar Stöckelschuhe, das du auftreiben kannst. Playback singen zu einem Song von Barbra Streisand, diesen »Evergreen«. Und es wäre ratsam, einen Freund in der Nähe zu haben, der dich dann in die Notaufnahme fahrt. Vorher nimmst du zwei Vicodin. Bevor du dir diese langen Barbra-Streisand-Fingernägel anklebst; denn danach kannst du nichts mehr in die Hand nehmen, was kleiner ist als eine Bierflasche. Also nimm die Schmerztabletten vorher, dann kannst du beide Seiten von Color Me Barbra singen, bevor ein echter Volltreffer dich niederstreckt.
    Unsere erste Idee, wie wir an Geld kommen könnten, war »Hau den Clown, nur fünf Dollar pro Schlag«. Und das lief gut, besonders in Collegestädten. Landwirtschaftsschulen. Manchmal ging dort niemand ohne Clownweiß an den Knöcheln nach Hause. Clownweiß und Blut.
    Das Problem ist, der Reiz verliert sich bald. Und eine Gulfstream kann man nicht aus der Portokasse bezahlen. Allein Treibstoff und Öl für den Flug nach Europa kosten dreißigtausend Dollar. Für eine Strecke gar nicht so schlimm, aber wer geht schon zu einer Charterfirma und sagt, er will den Flieger nur für den Hinflug - rotes Tuch für solche Leute.
    Nein, Webber brauchte nur in dieses schwarze Trikot zu steigen, und schon geiferte alles danach, ihm eine reinzuhauen. Das Gesicht weiß geschminkt, die Pantomime mit der unsichtbaren Wand - und schon floss das Geld in Strömen. Besonders in Collegestädten, aber auch auf Jahrmärkten lief das Geschäft nicht schlecht. Selbst wenn die Leute uns bloß für Komiker hielten, zahlten sie dafür, ihn zu schlagen. Ihn blutig zu schlagen.
    Als die Pantomimennummer nicht mehr zog, versuchten wir es in Kneipen mit »Hau die Puppe, nur fünfzig Dollar pro Schlag«. Flint hatte ein Mädchen aufgetan, das bereit war, da mitzumachen. Aber schon nach dem ersten Schlag ins Gesicht wollte sie nicht mehr.
    Da hockt sie auf dem Fußboden in den Erdnusschalen, hält sich die Nase und sagt: »Lasst mich auf die Flugschule gehen. Lasst mich lieber den Piloten machen. Ich will euch doch helfen.«
    Aber jetzt mussten wir erst mal da durch, mindestens die Hälfte der Leute in der Kneipe standen Schlange mit ihrem Geld. Geschiedene Väter, abgelegte Lover, ehemalige oder immer noch aktive Bettnässer, sie alle wollten mal so einen richtigen Schlag ablassen.
    Flint sagt: »Das krieg ich hin.« Und er hilft seinem Mädchen auf die Füße. Nimmt sie am Ellbogen und führt sie auf die Damentoilette. Flint geht mit ihr da rein, hebt eine Hand, spreizt die Finger und sagt: »Gebt mir fünf Minuten.«
    Gerade aus der Armee entlassen, war uns nichts Besseres eingefallen, wie wir an Geld kommen könnten. Jedenfalls nichts Legales. Und Flint meinte, noch gebe es kein Gesetz, das den Leuten verbiete, einem für Geld die Fresse zu polieren.
    Dann kommt Flint aus der Damentoilette: die Samstagabend-Perücke seiner Freundin auf dem Kopf, ihr ganzes Makeup in seinem Gesicht. Er hat sein Hemd aufgeknöpft, die Enden zusammengeknotet und mit Papierhandtüchern ausgestopft: Das sollen die Titten sein. Tonnenweise Lippenstift um den Mund geschmiert. Flint sagt: »Bringen wir's hinter uns.«
    Die Männer in der Schlange sagen, fünfzig Dollar, bloß um einen Mann zu schlagen, das ist Betrug.
    Und Flint sagt: »Okay, zehn Dollar.«
    Die Männer zögern immer noch, sehen sich nach was Besserem um, wofür sie ihr Geld verschwenden können.
    Jetzt geht Webber zur Jukebox. Spendiert eine Münze. Drückt ein paar Knöpfe und - ein Wunder. Die Musik setzt ein, und ein Ausatmen lang ist in der Kneipe nur noch ein kollektives Stöhnen zu hören.
    Die Musik, das ist die Schnulze aus der Schlusszene von Titanic. Diese kanadische Sängerin.
    Und Flint steigt mit seiner blonden Perücke und den dicken Clownslippen auf einen Stuhl und von dort auf einen Tisch und fangt an mitzusingen. Die ganze Kneipe sieht zu, und Flint gibt alles, streicht sich

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