Die Kolonie
Straße
hinunterführen sollten. Er aber zog sich in seine Hütte
zurück, viel zu bewegt, um sie auf dem kurzen Weg zu
begleiten.
Als die Sonne bereits hoch stand, wanderten Bahjat und David
über die feste Straße, wieder ihrem Schicksal
überlassen. Sie hatten die Baustelle umgangen und versuchten,
die Stadt zu finden, wo vielleicht die Möglichkeit bestand, auf
die örtliche RUV-Gruppe zu stoßen.
»Wozu war die ganze Zeremonie gut?« fragte Bahjat.
»Ich wollte ihnen etwas geben, um zu zeigen, wie dankbar wir
ihnen für ihren Beistand sind.« In Davids Arm pochte es
noch leise, obwohl die Blutung bereits aufgehört hatte.
»Sie haben uns schließlich das Leben gerettet.«
»Ja, aber… Blut?«
»Das war alles, was ich hatte. Und für sie hat es eine
tiefe Bedeutung. Ich glaube, daß wir feierlich in ihren Stamm
aufgenommen wurden.«
»Sie vielleicht«, versetzte Bahjat. »Mich haben sie
übersehen.«
Er lächelte sie an und meinte: »Wir können noch
einmal hingehen und den Akt für Sie wiederholen. Ich bin sicher,
daß sie froh wären…«
»Vergessen Sie’s!«
Sie gingen eine Weile über die leere Straße in der
warmen Nachmittagssonne. Dann fragte Bahjat: »Wie haben Sie mich
ins Dorf gebracht, als ich nach der Landung ohnmächtig
war?«
»Ich habe Sie getragen«, sagte David abwesend. Er dachte
immer noch über die Dorfbewohner nach und darüber, wie er
ihnen helfen könnte.
»Sie haben mich getragen? Bis hin zum Dorf?«
»Es war nicht weit.«
»Und Sie sind dageblieben, während ich zwei Tage und
zwei Nächte so krank war?«
David nickte.
»Warum sind Sie bei mir geblieben?«
»Sie waren krank. Ich konnte Sie nicht allein
lassen.«
Sie blieb stehen und klammerte sich an seinen Arm. »Wissen
Sie denn nicht, daß wir Feinde sind? Ich habe Ihre
Raumfähre entführt. Sie wollten nach Messina; und Messina
ist der letzte Ort, wo ich sein möchte. Wenn wir in die Stadt
kommen, werde ich versuchen, meine Freunde zu finden, und dann werden
Sie unser Gefangener, unsere Geisel sein.«
David berührte die Waffe an seiner Seite und meinte:
»Vielleicht sind Sie dann meine Gefangene.«
Bahjat schüttelte den Kopf. »Ohne meine Hilfe
würden Sie nicht sehr weit kommen.«
»Sie aber würden ohne meine Hilfe jetzt in einem
Gefängniskrankenhaus in Argentinien liegen«, konterte
David.
»Also erwarten Sie, daß ich mich erkenntlich
zeige.«
»Was ich erwarte…« David unterbrach sich, holte
tief Luft und setzte dann seinen Weg fort. »Schauen Sie«,
meinte er, »könnten wir nicht einfach Freunde sein und die
Politik links liegen lassen?«
»Das ist unmöglich«, sagte Bahjat fest.
»Ob möglich oder nicht, wir sollten es versuchen. Mir
scheint, wir werden sehr lange miteinander auf dieser Straße
wandern. Und wenn Ihre Freunde in Ciudad Nuevo nicht besser sind als
diejenigen, denen wir bisher begegnet sind, werden wir noch sehr
lange auf der Straße liegen.«
Bahjat sagte nichts. David wanderte weiter, und Bahjat blieb an
seiner Seite. Nach einer Weile begann er ein Lied zu singen, das sie
noch nie gehört hatte. Sie versuchte, die Stirn zu runzeln, aber
es wollte ihr nicht so recht gelingen, und so lächelte sie ihm
zu.
PERSÖNLICH
28. August 2008
An: Dr. Cyrus S. Cobb.
Von: Mr. T. Hunter Garrison
Betr.: Operation Proxy
Phase I der Operation ist jetzt im wesentlichen abgeschlossen.
Phase II wird in Kürze eingeleitet. Wie Sie wissen, wird Phase
II sehr schnell ablaufen und das Planziel in weniger als drei Monaten
erreichen. Zu jenem Zeitpunkt wird die Evakuierungsphase der
Operation beginnen. Daher müssen alle Vorbereitungen auf Eiland
Eins innerhalb von sechs Kalendertagen nach Eingang dieses
Memorandums abgeschlossen sein.
NACH KENNTNISNAHME VERNICHTEN!
27. Kapitel
T. Hunter Garrison saß im schwülwarmen Gewächshaus
am hinteren Ende seiner Wohnung auf dem Garrison-Hochhaus und
verfolgte die holografische Überlandkonferenz. Der
Hologrammschirm im Gewächshaus war so groß wie eine Wand
und vermittelte den Eindruck, als ob der Palmengarten in zwei Teile
geteilt sei: Dort, wo Garrison saß, wucherte ein
schwülheißer tropischer Garten voller Orchideen, Farne und
Lianen. Auf der anderen Seite, wo sich Leo und die anderen Rebellen
befanden, stand ein ungewöhnlich gemusterter Konferenztisch, und
hinter jedem der zwei Dutzend Guerillas sah der Hintergrund anders
aus.
Garrison lehnte sich in seinem bequemen Rollstuhl vor, und sein
kahler Schädel schimmerte, während
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