Die Kolonie
er die Debatte der
Revolutionäre verfolgte. Er trug nichts weiter als einen
durchgeschwitzten königsblauen Anzug, und er saß ganz
allein in seinem Gewächshaus.
Er hatte sich stets in Leos Konferenzen eingeschaltet, seitdem die
erste vor einigen Monaten stattgefunden hatte. Er hatte alle
Einzelheiten über den geplanten weltweiten Aufstand mitverfolgt.
Natürlich konnte das Unternehmen auch fehlschlagen, aber Leo
hatte die richtige Idee – hart zuschlagen und keine Kosten
scheuen.
Der Zeitpunkt für einen Streich war sehr nahe gerückt.
Garrison hatte den ganzen Sommer über die Guerillas in 24
Städten mit Waffen beliefert. Für sie sah es nach einem
eindrucksvollen Arsenal aus, aber der alte Mann wußte genau,
wie weit sie damit kommen würden.
»Wir werden sie alle in Grund und Boden stampfen, Mann«,
sagte der junge Mann aus Los Angeles mit dem buschigen Haar.
»Die werden glauben, es sei ein Erdbeben.«
»Die Frage ist nur, wann?« fragte Leo ruhig.
»Wir sind bereit.«
»Wir auch!«
Die meisten Männer und Frauen, die sich um den elektronisch
zusammengebauten Tisch versammelt hatten, nickten begeistert.
»He, da ist noch etwas, das mich an dieser ganzen Operation
stört«, sagte die Frau, die die Rebellen aus Kansas City
anführte. Sie war mit Türkisen und Perlen geschmückt
und trug ein Stirnband um den Kopf, doch sie kam Garrison eher
schwarz als rot vor.
»Und das wäre?« fragte Leo.
»Na ja… wir werden die Straßen terrorisieren und
alles unter Beschuß nehmen, okay. Aber wir wissen, daß
wir der Armee nicht gewachsen sind. Die kann uns zerbomben, vergasen,
uns mit Panzern, Flugzeugen und sonstwas angreifen. Und die
Weltregierung wird mit ihren Truppen nachrücken. Wozu soll nun
das alles gut sein? Eine Menge Schwestern und Brüder werden
umkommen. Für was denn?«
»Ich weiß«, sagte Leo. »Das haben wir schon
tausendmal durchgesprochen.«
»Dann tu’s zum tausendundersten Mal«, versetzte sie
ohne zu lächeln.
Leo grinste nachdenklich. »Wir müssen der Nation, dem
Volk, der Welt zeigen, daß wir bereit sind zu
kämpfen für das, was uns gehört. Fünfzehn Prozent
der Bevölkerung dieses Landes sind Schwarze, Braune oder Gelbe.
Und wir haben achtzig Prozent der Arbeitslosen, der Hungernden
und Kranken. Die haben das größte Stück vom
Kuchen abgekriegt – die Weißärsche. Wir werden ihnen
zeigen, daß wir auch unser Teil abhaben wollen.«
Die Frau zuckte kurz die Achseln.
»Indem wir überall im Land losschlagen«, fuhr Leo
fort, »werden wir ihnen zeigen, daß wir organisiert sind.
Sie müssen unsere Forderungen ernst nehmen. Wir sind keine
Bettler und pfeifen auf Almosen.«
»Tja, aber wenn sie die Armee einsetzen…«
»Wir werden ihnen zeigen, daß selbst ihre beschissene
Armee sie nicht vor uns schützen kann. Gewiß, sie werden
uns nach diesem Angriff zurückdrängen. Doch bis
dahin wird es für Mister Blaßarsch bereits zu spät
sein. Er wird ein für allemal einen Denkzettel einstecken
müssen! Wir werden ihm einen Schlag versetzen, und der Hieb wird
sitzen!« Leo schmetterte die Faust auf den Tisch. »Jede
Stadt in diesem Land wird zu einer Feuerhölle werden, sobald wir
durchbrechen.«
»Das ist nicht viel«, erwiderte die Frau aus Kansas
City, »wenn ich an all die Opfer denke, die wir bringen
müssen.«
»Jawohl. Und die Tet-Offensive wurde als Niederlage des
Vietkong erklärt. Aber sie haben den Krieg gewonnen,
Baby.«
»Nach zehn Jahren.«
Leo lächelte. »In weniger als zehn Jahren.«
»Mich wundert es«, rief ein anderer Mann, »wo wir
all die Waffen herkriegen sollen.«
»Richtig. Wer wird wohl so nett zu uns sein?«
»Oder uns vielleicht eine Falle stellen?«
»Nix da«, sagte Leo. »Die Waffen kommen von Leuten,
die uns echt helfen wollen.«
»Wer denn? Und warum?«
»Ich kann’s nicht sagen. Außerdem ist es besser,
wenn ihr es nicht wißt.«
»Aber du weißt es, nicht?«
»Verdammt richtig.«
Garrison lächelte in sich hinein. So mancher von denen, der
jetzt am Konferenztisch saß, hatte versucht, die
Waffenlieferungen bis an ihre Quelle zu verfolgen. Aber sie waren
Amateure. Sie kannten zwar die Schleichwege in den Straßen
ihrer Städte, aber wie hätten sie auf den Schleichwegen der
Wirtschaft und der Macht mit den Multis konkurrieren können?
»Okay, okay«, sagte Leo. »Doch da ist immer noch
die große Frage: Wann wollen wir losschlagen?«
»Je eher, desto besser. Wir können diese Waffen nicht in
alle Ewigkeit verstecken.«
»Wir
Weitere Kostenlose Bücher