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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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morgen nach Eiland Eins
bequemen sollen. Am Donnerstag wird die Hölle los
sein.«

 
     
     
VIERTES BUCH
     
     
November 2008
Weltbevölkerung: 7,33 Milliarden

Die Menschheit kann es nicht länger dem Zufall
überlassen, [i] unheilvolle Entwicklungen aufzuhalten. Sie muß vielmehr die
Initiative zeitig genug selbst ergreifen, um zerstörende und
katastrophale Ereignisse abzuwenden. Eine Strategie in dieser
Richtung kann nur aus dem Geiste echter globaler Zusammenarbeit
erwachsen, die in freier Partnerschaft unter den verschiedenen
nationalen und regionalen Gemeinschaften der Erde zu gestalten ist
und sich im Rahmen eines rationalen Generalplans für
langfristiges organisches Wachstum entfaltet. Alle unsere
Computer-Simulationen zeigen deutlich, daß dies der einzig
sinnvolle und einzig mögliche Ansatz zur Vermeidung
größerer Katastrophen ist und wir keine Zeit mehr
vergeuden dürfen. Die Welt muß jetzt zu einem
kooperierenden globalen System zusammenwachsen, oder sie wird durch
Haß und Konflikt, Krieg und Zerstörung vollends zerrissen
werden.
    Mihailo Mesarovic/Eduard Pestel, Menschheit am
Wendepunkt,
2. Bericht des Club of Rome zur Weltlage, 1974.

 
28. Kapitel
     
     
    Während das Passagierflugzeug über der graubraunen
Dunstglocke von New York City kreiste, dachte David über die
Ironie der vergangenen drei Monate nach.
    Für die Viertelmillion Meilen von Eiland Eins zum Mond und
vom Mond zur Erde hatte er nur ein paar Tage gebraucht. Doch es
dauerte mehr als drei Monate, um die etwas mehr als 5000 Meilen von
Argentinien nach New York zurückzulegen. Und immer noch trennte
ihn ein Ozean von seinem ursprünglichen Reiseziel.
    Er lächelte traurig vor sich hin. Auf Raumstation Alpha
war ich Messina näher als jetzt.
    Es war leicht, durch die Leere des Weltraums zu reisen. Doch auf
der Erde, wo David auf der Flucht war – da war es schon
erheblich schwieriger, voranzukommen.
    Praktisch war er ein Gefangener. Er hatte bei Bahjat ausgehalten,
während sie eine schier endlose Reihe von RUV-Rebellen
aufsuchte. Die meisten waren jung wie David und sie selbst, doch eine
überraschend große Zahl war älter. Doch eines hatten
viele gemeinsam: sie waren arm. Sie besaßen keinen Pfennig,
waren ausgehungert, hohlwangig und wutentbrannt.
    Sie logen und stahlen, verschacherten hier ein Pferd und dort ein
Boot, fälschten Urkunden, teilten ihre armseligen Quartiere und
selbst finsterste Absteigen und Verstecke – Höhlen, Keller,
Dachböden von Kirchen und Ställe. Sie waren alle bereit,
der berühmten Scheherazade und ihrem Gefangenen von Eiland Eins
zu helfen.
    Einige der Guerillas waren gut bei Kasse, so daß sie Bahjat
mit Geld aushelfen konnten, um ihr das Überleben zu
ermöglichen.
    »Warum sind die Leute Revolutionäre?« fragte David
sie. »Gegen was rebellieren sie eigentlich?«
    Und Bahjat sagte stets: »Sie sind wie ich. Sie kämpfen
gegen die Ungerechtigkeit.«
    David wunderte sich.
    Er hatte kaum Gelegenheit, mit ihr allein zu sein. Doch bei den
seltenen Gelegenheiten wurde Scheherazade trotz ihres Wahlnamens zur
Zuhörerin, anstatt selbst zu erzählen. Sie brachte David
dazu, über sich selbst zu sprechen, über sein Leben, seine
Studien, über Eiland Eins. Sie harrte stundenlang bei ihm aus
– im Zug, auf dem Rücken eines Packesels, an Bord eines
abgedunkelten Fischkutters – hörte ihm zu und lächelte
aufmunternd. David wußte, daß sie ihn über Eiland
Eins ausfragen wollte, aber es machte ihm nichts aus. Es steckte
nämlich mehr dahinter. Sie macht sich Sorgen um mich als
Individuum, dachte er. Ich weiß, daß sie das
tut.
    Und er begann sich seinerseits Sorgen um sie zu machen.
    Es war eine merkwürdige Beziehung, die zwischen ihnen
aufblühte: sie waren Freunde und Widersacher zugleich,
Flüchtlinge, die einem Ziel nachjagten, das für beide
unerreichbar war, und beide hofften, am Ende ihrer Reise in
Sicherheit zu sein, wobei jeder befürchtete, daß die
Sicherheit des einen eine tödliche Gefahr für den anderen
in sich bergen mochte. Sie lebten Woche um Woche Seite an Seite,
wobei keiner den anderen aus den Augen verlor, halfen sich
gegenseitig, vertrauten einander auf Leben und Tod – trotzdem
wurden sie kein Liebespaar. Sie hatten sich nicht einmal
geküßt.
    Oft verbrachten sie die Nacht miteinander, meistens im gleichen
Raum. Aber so oft dies der Fall war – draußen in den
Bergen von Ecuador, in einer verlassenen Tankstelle an einer
Geisterstraße in Mexiko, in einem Schuppen bei

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