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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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Regal für Tonbänder und eine
Tafel darin. Evelyn hatte ein paar Stunden auf dem Teppichboden in
einem Schlafsack geschlafen, den ihr die lokale RUV zur
Verfügung gestellt hatte. Das Ding war schreiend blau, und die
giftgrünen Wände und der graue Teppichboden trugen noch zur
Kakophonie der Farben bei. Evelyn bekam jedesmal einen Hustenanfall,
so oft sie wach wurde.
    Auf dem Schreibtisch stand das Bild einer Frau und zweier Kinder
im schmalen Metallrahmen. Die Tafel war zur Hälfte mit
undefinierbaren Gleichungen gefüllt. Die andere Hälfte der
Tafel war mit einem schmierigen Plastikschwamm abgewischt worden.
    Die Cafeteria des Labors war natürlich geschlossen, aber die
Leute hatten kübelweise durchgeweichte Sandwiches und
abgestandenen kalten Kaffee mitgebracht. Evelyn konnte sich nicht
überwinden, etwas zu sich zu nehmen. Sie trat wieder ans Fenster
und spähte nach Hamud, der seinerseits den Fluß
beobachtete.
     
    »Nun, wie findest du das Leben in einem tropischen
Paradies?« fragte Garrison Arlene.
    Sie befanden sich auf dem Dach eines niedrigen, hübschen
Hauses inmitten der tropischen Landschaft von Cylinder B. Vögel
sangen und flatterten im Sonnenschein. In der Nähe murmelte und
rauschte ein kleiner, schneller Bach.
    »Sicher ist es anders als in Texas«, meinte Arlene.
»Ich glaube nicht, daß ich mich je daran gewöhnen
kann, daß sich der Boden bis über meinen Kopf
wölbt.«
    »Du wirst, du wirst«, versetzte Garrison. »Du wirst
hier leben wie eine Prinzessin. Wie eine
Dschungelprinzessin.«
    Sie lächelte ihm zu.
    »Ich könnte den ganzen Tag hier sitzen und nur schauen«, sagte Garrison. »Mein Lebenswerk…
Endlich bin ich hier. Ich werde hier den Rest meines Lebens
verbringen. Endlich sicher. Endlich daheim.«
    »Dr. Cobb hat vor einer halben Stunde wieder angerufen«,
mahnte Arlene. »Er sagte, er hätte etwas mit dir zu
besprechen…«
    »Cobb soll endlich wieder auf den Teppich kommen«,
knurrte Garrison. »Er kann sich über den Aufruhr in den
Staaten einfach nicht beruhigen. Es sieht fast so aus, als hätte
es auch andernorts Sympathiekundgebungen gegeben. Tokio hat es
ziemlich böse erwischt.«
    »Früher oder später wirst du mit ihm sprechen
müssen«, beharrte Arlene.
    Garrison wendete seinen Rollstuhl, um ihr ins Gesicht sehen zu
können. »Nun laß endlich das Schulmeistern,
Mädchen. Ich muß überhaupt nichts.« Aber er
grinste. »Komm, laß uns nach unten gehen und nachsehen,
was Houston macht.«
    Arlene folgte ihm zur Aufzugstür, und sie fuhren zu Garrisons
Büroräumen hinunter. Die Fenster waren groß und
unverglast, so daß die Vögel ungehindert aus und
einfliegen konnten. Die Sofas und Sessel waren wie zufällig
über den Grasboden verteilt, so zufällig, wie dies nur ein
hervorragender Innenarchitekt fertigbrachte, und die Dekoration
erinnerte eher an Tahiti als an Texas.
    Doch in der Ecke stand ein Schirm aus Rauchglas, der bis an die
Decke reichte, und dahinter war die komplizierte Elektronik eines
holografischen Videogeräts.
    Arlene nahm in einem geflochtenen Sessel neben Garrison Platz. Ihr
geblümter Rock war bis zu den Hüften geschlitzt und
enthüllte ihre langen, sonnengebräunten Beine.
    Garrison aber blickte auf die rauchenden Trümmer von Houston,
die auf dem dreidimensionalen Bildschirm erschienen. Die Stadt glich
einer Wüste: die Häuser ausgebrannt oder in Trümmern,
die Straßen mit Schutt und Leichen übersät. Selbst
der Garrison Tower war beschädigt, die unteren Stockwerke
schwarz und ausgebrannt, die Fensterscheiben geborsten. Ein
Armeepanzer rumpelte über den leeren Parkplatz unter dem
Hochhaus, das Geschützrohr gesenkt, als schämte er sich
darüber, was er angerichtet hatte.
    »Es ist nicht so schlimm, wie ich angenommen habe«,
murmelte Garrison.
    Er drückte auf eine Taste an seiner Armlehne. New Orleans.
Pittsburgh. Los Angeles. St. Louis. Atlanta. Alles in Trümmern
und alles voll Blut, als ob Erdbeben, Tornados und Hurrikans sich ein
Stelldichein gegeben hätten. Doch die Zerstörungskraft der
Natur war nichts gegen die kalt berechnende Zerstörungswut des
Menschen. In Chicago und New York wurde noch immer gekämpft.
Garrison schaltete die Nachrichten ein, die Berichte über die
Kämpfe brachten, die Straße für Straße, Haus
für Haus erbittert ausgefochten wurden.
    »Eine Menge toter Nigger«, sagte er.
    »Und eine Menge toter Weißer«, fügte Arlene
mit harter, gefaßter Stimme hinzu.
    »Ja, schon. Aber ich denke an später. Wenn

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