Die Kolonie
wie irgendein amerikanischer Nigger. Und sie
werden kaum bereit sein, auf ihre farbigen Brüder zu
schießen. Und selbst wenn sie es tun, wird es zu
Ausschreitungen kommen: Vergewaltigung, Raub, Plünderung. Das
ist stets der Fall, wenn man fremde Truppen ins Land ruft.«
»Und das dürfte die Amerikaner gegen die Weltregierung
aufbringen.«
»Na, und ob! Es sind doch die Truppen der Weltregierung, die
sich unbeliebt machen.«
»Aber die Weltregierung hat nicht reagiert. Sie hat so gut
wie gar nichts unternommen…«
»Um so besser«, sagte Garrison. »Jetzt können
wir sie belangen, weil sie untätig herumsitzt,
während die amerikanischen Städte in Schutt und Asche
versinken.«
»Wie steht’s um den Tod von De Paolo?«
Garrison schnaubte. »Dreißig Jahre zu spät. Jeder
ist sterblich. Jeder stirbt, mich ausgenommen. Ich werde ewig leben.
Vergiß das nicht.«
Ihr Blick wanderte über sein Gesicht. »Das glaubst du
wirklich?«
Er lachte. »Was meinst du, warum wir hier auf Eiland Eins
sind, mit all seinen geheimen Biolabors? Wenn die am genetischen Code
herumbasteln und ein Kind hervorbringen können, das perfekt ist,
so werden sie auch einem alten Mann helfen können, daß er
wieder jung wird.«
»Können sie das?«
»Sie werden müssen«, versetzte Garrison, und
diesmal klang seine Stimme bitter ernst.
Dr. Cobb hat uns auf Eiland Eins persönlich
begrüßt und hat mit jedem von uns ein paar Worte
gewechselt. Was mich und Ruth angeht, hat er natürlich mit uns
beiden gesprochen. Er hat ein dringendes amtliches
Telefongespräch mit Kalifornien geführt und uns geholfen,
Ruths Eltern zu finden. Es geht ihnen gut, und sie leben jetzt bei
Verwandten in der Nähe von Santa Cruz. In Los Angeles ist der
Teufel los.
Die meisten von uns waren wegen des Aufstandes in unserer
Heimat bestürzt und besorgt, aber Dr. Cobb versuchte uns zu
beruhigen, indem er darauf hinwies, daß nunmehr Eiland Eins
unsere neue Heimat sei, und daß uns eine lichte Zukunft
bevorstehe.
Bei unserem persönlichen Gespräch, das er mit Ruth
und mir führte, wies er uns darauf hin, uns mit Asteroiden zu
befassen. Er sagte, dort draußen, jenseits des Mars,
würden Goldminen auf uns warten. Und nicht nur Gold allein,
sondern Mineralien und Metalle, die weit wertvoller und wichtiger
sind als Gold. Ich sagte ihm, ich sei Farmer und kein Grubenmensch,
er aber lachte und fragte, ob ich nicht der Meinung sei, daß
auch die Grubenarbeiter verpflegt werden müßten auf ihrem
Posten, der fast viermal so weit von der Sonne entfernt ist als
wir.
- Das Tagebuch des William Palmquist
33. Kapitel
Evelyn durchschritt mit den anderen die doppelten Metalltüren
und ging über das Kopfsteinpflaster, das zum Dock führte.
Es begann zu nieseln, und die grauen Wolken wurden schwerer und
dicker, aber das schien keinen zu stören. Sie konnte bereits die
Schritte der vordersten ihrer Gruppe auf den Holztreppen hören,
die am Steilufer hinabführten und den Zugang zum Dock
bildeten.
Evelyn blieb auf der obersten Treppenstufe stehen. Das Boot hatte
bereits am Ende des Docks festgemacht, und die Passagiere gingen
langsam aufs Labor zu.
Hamud ging neben einer kleinen, schlanken weiblichen Gestalt.
Evelyn wußte, daß es Scheherazade war. Hamud
berührte zwar das Mädchen nicht, aber es war
offensichtlich, daß er es für sich beanspruchte. In seiner
Haltung der jungen Dame gegenüber war etwas, was Evelyn noch nie
bei ihm entdeckt hatte: Er war nicht mehr der selbstsichere,
herrschsüchtige Muslim, der alles zu bestimmen hatte und
über alles verfügte und gebot. Er nickte und sprach auf sie
ein, entblößte die Zähne mit jungenhaftem
Lächeln, wobei er die Schultern senkte und sich ihrer kleinen
Figur anzupassen suchte.
Aber wo war David? Ein riesiger Schwarzer ging hinter Hamud und
Scheherazade her, so gewaltig, daß sich das Dock unter seiner
Last zu biegen schien.
Und neben ihm… Evelyn riß die Augen auf. Das konnte
unmöglich David sein, doch er war es! Schmal, bärtig, die
Gesichtsfarbe dunkler, als sie es für möglich gehalten
hatte. Auch sein Haar war braun gefärbt.
Doch Evelyn kannte diesen Gang, die Art, wie seine Arme im
Gleichtakt seiner Schritte mitschwangen. Er mußte es sein! Er blickte in ihre Richtung, und selbst aus dieser Entfernung
konnte sie erkennen, daß es David war – aber irgendwie
verwandelt. Sein Gesicht war schmal, und seine Augen hatten ihren
unschuldigen Glanz verloren. Er schaute Evelyn unmittelbar an,
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