Die Kolonie
oder sie haben
den Energiestrahl abgelenkt.«
Der Chef hatte immer noch seinen Parka in der Hand, wie Pete
feststellen konnte. Er erinnerte sich an die Wettervorhersage, die er
auf dem Weg zur Arbeit gehört hatte: starke Schneefälle,
stürmische Winde, Temperaturen nahe null Grad. Ein klassischer
Maine-Blizzard. Und keine Energie für den ganzen Bereich. Kein
Strom zum Heizen, für die Beleuchtung, für die
Kommunikation.
Und der Wind draußen, so kam es ihm vor, heulte lauter als
vorher.
»Warte!« rief Bahjat.
Leo, der das Gewehr immer noch in seiner massigen Faust hielt,
wandte den Blick zu Bahjat. Seine Augen waren rot unterlaufen und
halb geschlossen vor Schmerzen und Müdigkeit. Hamud stand steif
am Pult, hinter dem Dr. Cobb saß, die rechte Hand auf die
Pistole an seinem Gürtel gestützt.
»Sieh mich an«, sagte Bahjat zu Leo. »Auch ich bin
in Schweiß gebadet wie du. Brennende Schmerzen peinigen meinen
Körper. Ich fühle mich schwach… genau wie
du!«
»Das kann nicht sein. Du bist nicht…«, setzte Leo
an.
»Er hat uns infiziert! David hat uns mit irgend etwas
angesteckt – mit einer Krankheit, einem Virus, mit irgendwas
– im Labor am Fluß.«
»Unmöglich«, sagte Hamud. »Das konnte er
nicht. Er hat nie die Chance dazu gehabt.«
»Als er uns davonlief«, versetzte Bahjat, »und wir
meinten, er wollte fliehen… wo hast du ihn damals
aufgestöbert?«
Hamud überlegte einen Augenblick lang. »Im
Laborbereich.«
»Wo ganze Virus- und Bakterienkulturen gezüchtet werden.
Wo man mit Krankheiten und biologischen Mitteln
experimentierte.«
»Aber wie sollte er jemanden angesteckt haben?« fragte
Hamud. »Er hat doch keinem etwas eingespritzt, konnte keinem
etwas ins Essen oder in seine Getränke praktizieren.«
»Er hat sich selbst infiziert«, sagte Bahjat. »Er
ist zwar immun gegen Krankheiten, aber er kann als Virusträger
fungieren und die Krankheit auf uns übertragen – auf jeden
von uns!«
»Auf jeden?« Hamuds Augen weiteten sich. »Auf uns
alle?«
»Ja. Er brauchte nur in unserer Nähe zu sein und die
gleiche Luft zu atmen wie wir. Er war zwei volle Tage zusammen mit
uns in der Raumfähre – Zeit genug, um uns alle
anzustecken.«
Leos Gesicht war in Schweiß gebadet. Die Waffe in seiner
Hand zitterte, dann ließ er den Arm fallen. »Dieser kleine
Hundesohn von einem Blaßarsch…«
»Das konnte er einfach nicht«, beharrte Hamud. »Es
ist unmöglich.«
Bahjat wandte sich an Cobb. »Sagen Sie’s ihm.«
Der alte Mann stützte die Ellbogen aufs Pult. »Das ist
gar nicht so unmöglich«, sagte er mit einem boshaften,
zufriedenen Lächeln. »Das Mädchen hat recht. David
wurde genetisch so programmiert, daß er so gut wie gegen jede
bekannte Krankheit immun ist. Er kann die Erreger mit sich tragen und
sie verbreiten, wo er geht und steht. Hat er sich mit irgendeiner
tödlichen Substanz infiziert, so kann er diese auf jeden
übertragen, der ihm nahe kommt. Er ist eine wandelnde
biologische Bombe – ein echter Brenner mit
Megatonnen-Kaliber.«
»Hat er mich angesteckt?« schäumte
Hamud.
»Es sieht ganz danach aus«, erwiderte Cobb freundlich.
»Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Krankheit ausbricht,
ganz gleich, um was es sich handelt.«
»Und wie ist es mit der Heilung? Ich will sofort kuriert
werden!«
Cobb zuckte die Achseln. »Zunächst muß man
feststellen, um welche Krankheit es sich handelt. Vielleicht ist es
eine dieser speziellen Mutationen, an denen die Jungs im Labor
herumbasteln – es kann so neu sein, daß es dafür
unter Umständen überhaupt kein Gegenmittel gibt.«
»Sucht ihn! Sucht ihn, verdammt noch mal, und bringt ihn zum
Reden!«
»Aber er kann überall sein«, sagte Bahjat.
Leo ließ sich langsam zu Boden gleiten. »Es ist besser,
wenn ihr ihn recht bald aufstöbert«, knurrte er. »Wenn
er alle angesteckt hat, so haben wir zweiundfünfzig Sterbende am
Hals.«
»Mehr als das«, meinte Cobb. »Er kann die
Übertragungsfaktoren nicht kontrollieren. Und er kann jeden
anstecken, mit dem er in Kontakt kommt – einschließlich
der Leute hier auf Eiland Eins. Vielleicht werden wir alle
umgebracht.«
Bahjat wollte sich ebenfalls setzen, doch sie wußte,
daß sie die Kontrolle über Hamud einigermaßen
bewahren mußte, sonst würde er Amok laufen.
»Sie können jeden Winkel der Kolonie
überblicken«, sagte sie zu Cobb. »Suchen Sie ihn
für uns. Wo ist er hingegangen?«
Cobb deutete mit einer Geste auf die Bildschirme. »Suchen Sie
ihn
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