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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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aus der Asche der UN erhob,
wurde er deren Hauptverwalter. Er trug den Titel eines Direktors,
doch alle Welt nannte ihn den Diktator. Doch er wußte es
besser. Er hatte geherrscht, gekämpft und überlebt.
    Sein Adjutant, ein junger Jurastudent aus Äthiopien, betrat
behend das Büro des Direktors, blieb unter der Tür stehen
und wartete darauf, daß De Paolo Notiz von ihm nahm.
    Der Adjutant runzelte die Stirn. Wieder einmal stand der Direktor
am Fenster und starrte in die Luft – wohin wohl? Vielleicht auf
die schmutzige Altstadt mit ihren Fliegen, Bettlern und Bordellen?
Vielleicht aufs Meer hinaus oder auf die Berge? Neuerdings tat er
dies oft, seine Gedanken wanderten. Immerhin hatte er bereits seinen
83. Geburtstag hinter sich. Er hatte die Bürde eines
Weltregenten viele Jahre hindurch getragen. Nun sollte er sich zur
Ruhe setzen und die Verantwortung auf jüngere Leute
übertragen.
    »Sir?« rief er leise.
    De Paolo drehte sich langsam um, als erwachte er aus einem
Traum.
    »Sir, alle sind versammelt. Die Sitzung kann
beginnen.«
    Der Direktor nickte. »Ja, ja.«
    »Im Konferenzsaal ist alles bereit. Die Herren sind
eingetroffen.«
    »Gut.«
    Der Adjutant ging schnell durch das große, mit dicken
Teppichen ausgelegte Büro und begab sich zu dem Schrank, der in
die Vertäfelung der gegenüberliegenden Wand eingelassen
war.
    »Welche Jacke möchten Sie, Sir?«
    De Paolo antwortete mit einem Zucken seiner schmalen Schultern.
»Das ist mir egal. Keiner wird sich durch meine Kleidung
beeindrucken lassen.« Seine Stimme war sanft und melodiös
wie der Klang einer alten Gitarre, die mit menschlicher Zunge
spricht.
    Der Adjutant schürzte die Lippen und beobachtete seinen
Vorgesetzten einen Augenblick lang. De Paolo trug wie gewöhnlich
ein offenes Hemd und bequeme Hosen. Das Hemd war von mattgoldener
Farbe, die Hosen dunkelblau: seine Lieblingskombination. Der einzige
Schmuck, den er trug, war ein silbernes Aztekenmedaillon, das er an
einer fast unsichtbaren Kette um den Hals trug, ein Geschenk des
mexikanischen Volkes. Der Adjutant wählte eine leichte hellblaue
Wolljacke und half dem alten Mann hinein.

    »Ich habe die Regenwolken beobachtet«, sagte De Paolo,
während er in die Jacke schlüpfte. »Über den
Bergen türmen sich die Wolken, man kann zusehen, wie sie dunkel
werden und wie sich dann der Regenschauer über die Erde
ergießt. Haben Sie das jemals beobachtet?«
    »Nein, Sir, noch nie.«
    »Ihnen fehlt die Zeit dazu, was? Ich halte Sie wohl zu sehr
in Trab.«
    »Aber nein! Doch ich glaube nicht…«
    De Paolo lächelte den jungen Mann freundlich an. »Machen
Sie sich nichts draus. Nur… wenn ich die Wolken so beobachte,
frage ich mich stets, ob sie die Natur hervorgebracht hat oder ob sie
von unseren Wetterfröschen erzeugt wurden, die ständig an
unserer Wetterlage herumbasteln.«
    »Sir, das läßt sich kaum feststellen.«
    »Sicher. Aber es wäre wichtig, Bescheid zu wissen.
Außerordentlich wichtig.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Paco, Sie sollen mich nicht verulken«, sagte De
Paolo, und in seiner sonst so sanften Stimme schwang etwas Ironie
mit. »Die tragen dort draußen einen Kampf aus – eine
Art Krieg, der weder erklärt noch anerkannt wurde, immerhin
einen Krieg. Männer und Frauen werden getötet, Kinder
sterben.«
    »Ich verstehe, Sir.«
    Doch der Direktor schüttelte nur den Kopf und fuhr fort:
»Wir haben einen Atomkrieg verhindert. Der Dritte Weltkrieg hat
nicht stattgefunden, dank der Satelliten und dank der lunaren
Rebellen auf Selene. Wir haben zwar die frühere UN
zerstört, doch wir haben die Welt vor einem nuklearen Holocaust
bewahrt. Vielleicht glauben Sie, daß die Völker dieser
Welt froh und dankbar sind. Sie denken vielleicht, sie würden
auf die Knie fallen und Gott danken, daß er sie vor der
Vernichtung gerettet hat.«
    »Sie haben abgerüstet…«
    »Sie haben aus der Vernichtung ihrer Kernwaffen eine
große Show gemacht, jawohl. Weil wir ihnen damit gedroht haben,
ihr Wetter zu beeinflussen, wenn sie es nicht tun. Weil nämlich
ihre Raketen angesichts der Laserwaffen unserer Satelliten wertlos
waren. Und weil jetzt wir es sind, die diesen Planeten
beschützen und keine Möglichkeit für die Verwendung
von Raketen und Atombomben bieten. Nun aber haben sie es
fertiggebracht, das Wetter nach ihren Wünschen zu manipulieren.
Und sie setzen diese Möglichkeit als Waffe ein, diese
Narren.«
    »Sir, dafür gibt es keine eindeutigen Beweise.«
    »Ach was! Glauben Sie wirklich, daß die

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