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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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da allerhand erzählen.«
    Er lachte. »Ja, aber da gibt es weitere Komplikationen. Auf
der Erde besitze ich keinerlei legalen Status. Ich bin kein
Staatsbürger irgendeiner Nation, dort unten liegt nichts
über mich vor, ich habe nie Steuern gezahlt…«
    »Du könntest Bürger der Weltregierung werden«,
sagte Evelyn fest. »Du mußt nur ein einfaches Formular
unterzeichnen.«
    »Wirklich?«
    »Aber sicher.«
    Er versuchte sich selbst auf der Erde vorzustellen, in Messina,
der Hauptstadt der Welt.
    »Ja«, sagte er. »Aber sobald die Medien der Welt
herausgefunden haben, wer ich bin, werden sie mich wie ein Monster
behandeln.«
    Evelyn legte eine lange Pause ein. Schließlich
flüsterte sie fast unhörbar: »Weiß Gott, das
stimmt!«

Dad ist heute nachmittag mit den unterzeichneten Unterlagen aus
Minneapolis zurückgekehrt. Nun gehört die Farm der
Kraftwerkfirma. Jetzt wird kein Weizen mehr angebaut, dafür
werden Antennen in den Himmel ragen, um Energie aus dem Weltraum zu
empfangen.
    Mutter weinte, obwohl sie versuchte, sich zu beherrschen. Doch
so wie das Wetter im ganzen Frühjahr war, blieb Vater kaum etwas
anderes übrig. Er hatte es uns allen so oft erklärt. Ich
glaube, er hat es auf eine Weise versucht, daß ihm Mutter
verzeiht. Nicht daß sie ihm etwas übelnähme,
aber… nun, die Farm war sechs Generationen lang in
Familienbesitz, und nun soll sie in fremde Hände übergehen,
in den Besitz irgendeiner Firma, die den Boden seiner
ursprünglichen Nutzung entzieht.
    Es regnet immer noch, seit acht Tagen ohne Unterlaß.
Selbst wenn wir etwas angepflanzt hätten, wäre die Saat
jetzt weggeschwemmt worden. Kein Wunder, daß die Banken keinen
Kredit mehr rausrückten. Natürlich, weil die Banken
wußten, daß die Gesellschaft unser Land – und das
unserer Nachbarn – haben will, sahen sie keinen Anlaß, uns
zu helfen.
    Der Regen ist widerlich, es schüttet und schüttet.
Ich habe so was noch nie erlebt. Und Vater und Mutter – auch sie
hat der Regen ausgebleicht, hat ihnen und ihrem Leben jegliche Farbe
genommen. Alles wurde einfach weggeschwemmt.
    - Das Tagebuch des William Palmquist

 
4. Kapitel
     
     
    Die alte Stadt Messina lag kreideweiß und dösend unter
der sengenden Sonne Siziliens. Olivenhaine durchsetzten die Stadt wie
immer mit ihrem satten Grün, und das Mittelmeer glitzerte
unwahrscheinlich blau. Jenseits der Meerenge erhoben sich die nackten
braunen Hügel Kalabriens, abgewetzt und armselig wie die
gebeugten Rücken der Bauern dieser Gegend.
    Auch das neue Messina lag blendend weiß im Sonnenlicht an
den Hügeln über der Altstadt. Doch die neuen Türme
waren aus Kunststoff, Glas und schimmerndem Metall. Sie ragten
kerzengerade hoch in den Himmel, stolze Monumente der neuen
Weltregierung, abseits von der antiken, ausgemergelten,
erschöpften Stadt. Kein einziger Bettler belebte das
Straßenbild, keine verwahrlosten Kinder mit vom Hunger
aufgetriebenen Bäuchen spielten in den breiten Alleen.
    Glasüberdachte Fußwege verbanden die Hochhäuser
der Weltregierung. Die Männer und Frauen, die in diesen
Häusern arbeiteten, brauchten ihre Haut nicht der sengenden
Sonne Siziliens auszusetzen. Nie spürten sie den Wind, der vom
Mittelmeer wehte, sie suchten nie den wohltuenden Schatten einer
Markise am Straßenrand, durchstreiften niemals die staubigen,
gewundenen Straßen und brauchten nie die verpestete Luft der
Armut und Krankheit zu atmen.
    Emanuel De Paolo stand am Fenster seines Büros im obersten
Stockwerk des höchsten Gebäudes im Komplex der
Weltregierung und blickte auf die Ziegeldächer der niedrigen,
bescheidenen Häuser des alten Messina hinab. Auf den ersten
Blick unterschied sich De Paolo nur wenig von jenen schweigsamen
alten Männern mit den traurigen Augen, die unter den
Torbögen und in den Cantinas der Altstadt hockten. Seine
Haut war dunkel, sein dünnes Haar schlohweiß, sein Blick
so finster und so mißtrauisch wie der irgendeines Bauern.
    Doch im Gegensatz zu den fleischigen, schweren Zügen der
eingeborenen Sizilianer war De Paolos Gesicht feinknochig, fast zart
geschnitten. Er wirkte schmal und zerbrechlich. Doch seine schwarzen
Augen, die wie Kohlen glühten, wirkten lebhaft und aufmerksam.
Bitterkeit lag in diesen Augen, eine gewisse Müdigkeit als Folge
jener vier Jahrzehnte, in denen er seine Mitmenschen bei ihrem Spiel
um Macht, Verrat und Position beobachtet hat.
    Früher war er mal Generalsekretär der Vereinten Nationen
gewesen. Als sich aber die Weltregierung

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