Die Kolonie
nicht
nach Eiland Eins? Sie haben uns im Griff wegen der Energie, die ihre
Satelliten spenden. Sie haben die Sonnenkraftwerk-Satelliten erbaut, sie setzen sie in Betrieb, und sie entscheiden, wer hier auf Erden die Energie zu welchem Preis bekommt. Wir
haben keine Kontrollmöglichkeit, und das ist bitter. Sind wir
nun eine Weltregierung oder sind wir eine hilflose Versammlung von
Tattergreisen?«
Al-Hazimis Augen sprühten Funken, seine Lippen bildeten einen
dünnen, blutleeren Strich.
Doch William lächelte dem Afrikaner zu. »Jetzt halten
Sie mal die Luft an, Bruder. Natürlich bin ich ebenfalls
über die Multis entsetzt. Aber sie waren es schließlich,
die Eiland Eins gebaut haben, nicht wir. Sie haben auch die
Kraftwerksatelliten gebaut, und somit sind die Satelliten legitimes
Privateigentum.«
»Und sie verkaufen Energie an die Vereinigten Staaten zu
einem erschwinglichen Preis«, brummte Chiu.
»Eiland Eins liegt ziemlich weit außerhalb dieser
Welt«, meinte Andersen, und es schien, als wollte er die
Angelegenheit in einer Weise scherzhaft auffassen, wie dies an diesem
Tisch noch nie der Fall gewesen war. »Wir können nicht
einfach durch ein fiat eine Entscheidung erzwingen.«
»Die haben uns wegen der Energie im Griff«, wiederholte
Boweto grimmig. »Und wer weiß schon, was die da oben alles
machen, wo sie unbeobachtet sind? Die haben in ihren Biolabors
allerhand ausgeklügelt. Woher wollen wir wissen, ob sie nicht
mutierte Viren für eine biologische Kriegführung
züchten?«
»Glauben Sie allen Ernstes«, fragte De Paolo,
»daß Eiland Eins eine Basis zur Entwicklung biologischer
oder ökologischer Waffen sein könnte?«
»Wie wollen wir das mit Sicherheit wissen?« gab Boweto
zurück. »Die können dort oben machen, was sie wollen,
verborgen vor unseren Blicken.«
Williams nickte. »Da ist doch diese alte Geschichte von dem
Retortenkind, das sie erzeugt haben sollen…«
»Wir können unsere Aktionen nicht auf Gerüchten und
Flüsterparolen aufbauen«, beharrte Andersen.
»Gibt es dafür irgendeinen Beweis?« fragte De Paolo
und blickte die um den Tisch Sitzenden der Reihe nach an, »einen
Beweis irgendwelcher Art?«
»Nichts als die Ablehnung, Eiland Eins zu inspizieren«,
erwiderte Boweto.
Malekoff lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Die ganze
Sache ist irgendwie verdächtig.«
De Paolo richtete den Blick auf Al-Hazimi. »Könnten Sie
Ihren Einfluß geltend machen, damit wir die Genehmigung
bekommen, Eiland Eins zu besuchen?«
Der Scheich erwiderte bedächtig: »Es gehörte von
jeher zu den Gepflogenheiten des Führungsgremiums, Eiland Eins
stets aus der Politik herauszuhalten. Das ist der Grund, warum
offizielle Besuche aller Regierungsstellen bisher abgelehnt
wurden.«
»Aber«, versuchte ihm De Paolo gut zuzureden,
»angesichts der Zweifel, die eine solche Gepflogenheit erweckt
hat…«
»Ich will sehen, was ich tun kann«, sagte Al-Hazimi.
»Ausgezeichnet«, meinte De Paolo und dachte: Und
während er versucht, uns hinzuhalten, müssen wir andere
Wege finden, um in Eiland Eins einzudringen. Unser Geheimdienst
muß irgendwo einen geeigneten Spion ausfindig machen, der
zuverlässig ist…
Williams meldete sich zu Wort: »Ich möchte ein weiteres
Thema anschneiden, ein Thema, von dem ich weiß, daß es
Colonel Ruiz am Herzen liegt.«
»El Libertador?« fragte Malekoff.
Der Amerikaner zog die Augenbrauen hoch. »Wieso, macht er
etwa auch in Rußland Schwierigkeiten?«
Malekoff meinte achselzuckend: »Selbst im Arbeiterparadies
gibt es irregeführte Jugendliche, die es irgendwie für
romantisch halten, Unfrieden zu stiften. Es gab da ein paar
Zwischenfälle… einige Sabotageakte, kaum der Rede
wert.«
De Paolo lauschte. Zwar hatte er sein Heimatland Brasilien seit
fast dreißig Jahren nicht mehr gesehen, doch wurde er stets mit
den Neuigkeiten über El Libertador bombardiert. Ein
charismatischer Führer, ein Brigant, ein
Untergrundrevolutionär, ein Rebell gegen die Autorität und
die graue Eintönigkeit der Weltregierung.
»Es scheint so, als würde sich sowohl der Weltraum als
auch der Untergrund gegen uns auflehnen«, sagte De Paolo sanft.
Keiner lachte.
» El Libertador ist keine Witzfigur. Er ist nicht nur
eine Art Robin Hood aus dem Untergrund, der sich in den Wäldern
versteckt«, sagte Williams, wobei er seine Metaphern
gründlich durcheinanderbrachte. »Selbst die Guerillas in
den Städten – die revolutionäre Untergrundbewegung des
Volkes – blicken zu ihm auf
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