Die Kolonie
Energie von den Satelliten empfingen? Die intensiven
Strahlen der Mikrowellenenergie konnten nicht auf Ballungsräume
oder auf landwirtschaftlich genutzte Gebiete gerichtet werden. Europa
war hoffnungslos übervölkert, und der Raum war knapp
geworden. Niemand wollte eine häßliche, vielleicht sogar
gefährliche Energieanlage in der Nähe seines Heimes, seiner
Stadt, seiner Farm, seiner Zuflucht dulden.
Die Westlichen fürchteten die Mikrowellenstrahlung, so wie
sie seinerzeit die Atomkraftwerke gefürchtet hatten, die im
vorigen Jahrhundert vielleicht ihre Rettung gewesen wären, als
die Energieknappheit eintrat. Doch in Nordafrika, in Arabien und im
Iran gab es große leere Räume. Merkwürdigerweise
waren es aber die Israelis, die ein Großteil jener
hochentwickelten Technologie und Fachleute beisteuerten, die dazu
verhalfen, diese leeren Räume in Energiezentren zu verwandeln,
von wo aus Europa von Irland bis zum Ural versorgt wurde.
Al-Hazimi lächelte, während er den neuesten Nachrichten
lauschte, die über den Kommunikatorschirm flimmerten, der in die
Wand des Kreuzers eingebaut war. Die skandinavische Anlage war wieder
einmal stillgelegt worden. Die Umweltschützer machten die
Energie, die von den Satelliten heruntergestrahlt wurde, dafür
verantwortlich, daß die arktische Ökologie aus dem
Gleichgewicht geriet und dadurch die Überflutungen verursacht
wurden, die das bebaute tiefere Land im Süden zerstört
hatten.
Er drückte einen Knopf auf dem Tastenfeld an seiner Seite,
und auf dem Bildschirm tauchten plötzlich die Bilder des
skandinavischen Fiaskos auf. Er lachte schallend.
»Warum müssen die jede Art von Ökologie als heikel
bezeichnen?« fragte er seinen Gast, der dem Scheich
gegenüber still auf seinen Kissen saß.
Der Besucher trug die dunkle Uniform und das karierte Tuch eines
Al-Hazimi-Chauffeurs. Er nickte nur, sagte aber nichts. Er war in der
Lage, eine rhetorische Frage durchaus als solche zu erkennen.
»Jetzt quasseln sie über die ›heikle
Ökologie‹ der nördlichen Tundra und der Gletscher. Als
wir unsere Kraftwerke hier bauten, ging es um die ›heikle
Ökologie‹ der Wüste. Hach!«
Der junge Mann deutete eine leichte Bewegung an.
»Sehen Sie sich das mal an«, rief Al-Hazimi und deutete
durch die Fenster auf die Antennen. »Was für eine
Ökologie? Die Wüste ist leer. Da ist nichts, was irgendein
vernünftiger Mensch brauchen könnte. Wir benutzen diese
Antennenanlage schon seit Jahren, und was ist schon groß
passiert? Ein paar Schnecken sind umgekommen, und ein paar Adler, die
dumm genug waren, den Strahl zu überfliegen.«
»Aber die Strahlung könnte gefährlich werden«,
sagte der junge Mann, »wenn man ihr längerer Zeit
ausgesetzt ist.«
Al-Hazimi zog die Augenbrauen hoch. »Hast du Angst, Hamud?
Ausgerechnet du?«
»Nein.« Ein Kurde kann so tapfer sein wie ein Araber, dachte Hamud.
Al-Hazimi meinte mit einem dünnen Lächeln: »Es gibt
nichts, wovor man Angst haben könnte. Selbst wenn die Strahlen
gelegentlich etwas über die Grenzen unseres Werkes hinausgehen,
ist diese Talmulde sehr gut abgeschirmt. Der Betrieb ist nahezu
perfekt abgesichert.«
»Und äußerst bequem«, setzte Hamud hinzu, um
dem Scheich klarzumachen, wie er über seinen Luxus dachte.
»Sie sind ein Asket«, sagte Al-Hazimi.
Hamud schüttelte den Kopf. »Ich bin an solche
Annehmlichkeiten nicht gewöhnt. Für einen Chauffeur –
ist das Leben weniger komfortabel.«
Al-Hazimi sagte lachend: »Sie meinen, der Leiter der RUV
hätte nicht ebenfalls seine kleinen Bequemlichkeiten?«
»Revolutionen werden nicht durch Luxus gemacht«, sagte
Hamud schroff.
»Ich nehme an, daß ein Revolutionär aus diesem
Grunde leiden muß. Das gehört zu seinem Image.«
Hamud erwiderte nichts.
»Und diese Frau… diese Scheherazade… ist sie
ebenfalls ein Asket?«
Hamud erwiderte mit steinerner Miene: »Sie ist ein Symbol,
nichts weiter. Ich bin der Anführer der RUV in diesem Teil der
Welt.«
»Natürlich«, sagte Al-Hazimi.
»Meine Leute in der RUV haben vor Ihnen etwas Angst«,
sagte Hamud. »Sie meinen, daß wir in eine Falle tappen,
wenn wir Ihr Geld und Ihre Unterstützung annehmen.«
Al-Hazimis Stimme wurde brüchig. »Ihre Leute meinen,
daß ein haschemitischer Scheich, ein Nachkomme des Propheten,
sein einmal gegebenes Wort brechen würde? Daß er die
Gesetze der Gastfreundschaft je mißachtete?«
»Sie sind jung und ungebildet«, meinte Hamud, »und
hungrig.«
»Und
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