Die Kolonie
angetan, die Weltregierung zu schwächen. Und meist
führte dies zur Stärkung der Firmengruppe, wie etwa die
letzte Flutkatastrophe in Skandinavien, die den staatlichen
Energiekomplex zerstörte und die Nordländer zwang, ihre
Energie aus dem nordafrikanischen Komplex der Eiland Eins-Gruppe zu
beziehen.
Und der Krieg griff immer weiter um sich. Typhus in Indien: War es
eine Folge der Taifune, die so viele der übervölkerten
Städte zerstört hatten, oder wurden die Erreger sogar hier
in den Labors von Eiland Eins gezüchtet? Vielleicht in den
gleichen biochemischen Labors, in denen man jene Nährmittel
hergestellt hatte, die mich vor meiner Geburt am Leben hielten? David erschauerte vor Entsetzen.
Eine neue Epidemie von Lungenentzündung von bisher
unbestimmter Herkunft forderte Dutzende von Opfern in der Sowjetunion
– ein mutierter Virus von Eiland Eins?
Die bringen ja die Menschen um!
»Es ist ein Dreiwege-Kampf«, murmelte David vor sich
hin, indem er sich in seinem Sessel zurücklehnte und auf den
leeren Computerschirm starrte. Er meinte immer noch all die Grafiken
und Kurven zu sehen, huschende, schemenhafte Nachbilder, Negative,
weiß auf schwarzem Grund.
»Die Weltregierung versucht, die Gesellschaften zu zwingen,
ihre Gewinne für die Entwicklung armer Völker zu verwenden.
Die Gesellschaften ihrerseits versuchen mit der Weltregierung
fertigzuwerden. Und dann sind noch diese Revolutionäre da: El
Libertador und die RUV. Wenn die Gesellschaften all diese
Guerillas zusammenziehen – dann wird sich der ökologische
Krieg zu einem weltweiten Blutbad auswachsen.«
Er sprang elektrisiert von seinem Stuhl.
Eins ist sicher, wurde ihm plötzlich klar. Ich
muß nach Messina und die Weltregierung über diesen Zustand
unterrichten. Hier geht es nicht mehr um mein eigenes Anliegen, um
meine Privatsache, daß ich aus der Kolonie entfliehen will. Es geht vielmehr darum, die Erde vor einer Apokalypse zu
bewahren.
Der Berufsberater im Arbeitsamt sagte mir heute, daß es
Möglichkeiten für Farmer auf Eiland Eins im Weltraum gebe.
Ich habe einen Antrag gestellt, weil kein anderes Angebot da
war.
Beim Mittagessen habe ich die Sache mit Mutter und Vater
besprochen. Sie waren nicht gerade begeistert, daß ich bis nach
L4 gehen will, aber sie meinten beide, wenn man mich nimmt und wenn
ich gehen will, so wären sie einverstanden. Freilich habe ich
gemerkt, wie schwer es ihnen fiel.
Verdammt, ich habe es satt, ständig Tränen in Mutters
Augen zu sehen und Vater, wie er vor sich hinbrütet. Wenn nur
das Wetter etwas besser gewesen wäre. Wenn nur die
Kraftwerkfirma nicht jeden pausenlos bekniet hätte, zu
verkaufen…
Immerhin meint Vater, daß er und Mutter in der
Rentnersiedlung zurechtkommen würden. Sie sind zwar noch
ziemlich jung für so was, aber sie können sonst nirgendwo
hingehen, zumindest nicht mit dem Geld, das sie bekommen haben. Das
alles will ihnen nicht so recht gefallen, und ich kann es ihnen
weiß Gott nicht übelnehmen.
Wahrscheinlich werde ich auf Eiland Eins kein Glück haben.
Es gibt zu viele Leute, die dort hinmöchten. Sollte ich jedoch
die Stelle bekommen – was wird dann aus Mutter und Vater? Kann
ich sie verlassen?
- Das Tagebuch des William Palmquist
12. Kapitel
Ascension Island ist kaum mehr als der ausgebrannte Kegel eines
erloschenen Vulkans, der den Kopf über die warmen Gewässer
des Südatlantiks erhebt. Ein Großteil der Insel
ähnelt der schlackendunklen, von Steinen übersäten
Oberfläche des Mondes. Selbst die Buchten sind eher felsig als
sandig.
Es ist ein weit abgelegener Ort, fast zehn Grad südlich des
Äquators, von Südamerika und Afrika fast gleich weit
entfernt. Das nächstliegende Festland ist St. Helena, diese
Felseninsel, auf die die Briten Napoleon ins Exil schickten.
Am Ende der Landebahn, weit entfernt vom Flughafengebäude von
Ascension, parkten zwei Maschinen in der Hochsommersonne. Fahrbare
Bodengeräte verwandelten das Sonnenlicht in Elektrizität,
die für die Klimaanlage und für die Beleuchtung der
Flugzeuge diente. Keine der Maschinen trug irgendwelche
Hoheitszeichen, nur Seriennummern am Leitwerk. Das eine Flugzeug war
weiß und himmelblau, ein Überschallflugzeug mit zwei
Düsenmotoren, groß genug, um einer bedeutenden
Persönlichkeit nebst Stab und zwei Piloten jeglichen Komfort zu
bieten. Bei der anderen Maschine handelte es sich um ein viel
größeres viermotoriges, konventionelles Flugzeug, in
grüngelben
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