Die Kolonie
schmeichelte.
Hamud konnte nicht mitgehen. Er war noch nie im Weltraum gewesen,
und die Entführung war so wichtig, daß man sie keinem
anvertrauen konnte, dem es prompt übel wurde, sobald er der
Schwerelosigkeit ausgesetzt war.
Und Bahjat war es auch gewesen, die den bestmöglichen
Landeplatz für die gestohlene Fähre bestimmte: Argentinien.
Die RUV würde in El Libertadors Land niedergehen und um
Asyl bitten, was er seinen Gesinnungsgenossen schlecht verweigern
konnte.
Bahjat mußte lautlos, sorgfältig und vorsichtig
handeln. Hamud – Deckname Tiger – war der Anführer und
hätte niemals zugelassen, daß Scheherazade die Kopfarbeit
für ihn erledigte.
Am ehesten hatte sie befürchtet, im Raumhafen von Anguillara
in der Nähe Roms von der Polizei festgenommen zu werden. Ihr
Vater hatte ihr Bild und die Nummer ihres Reisepasses überall in
der Welt verbreiten lassen. Sie wurde sowohl von den Multis als auch
von der Weltregierung gesucht. Doch die italienische Polizei,
hübsch anzusehen in ihren langen blauen Mänteln und mit
ihren feschen Bärten sahen ihr mehr in die Augen und auf ihre
Beine, als sie von der Bahnstation zum Weltraumbahnhof fuhr und sich
ihr Flugticket für die Raumfähre nach Alpha besorgte. Die
Carabinieri schienen eher daran interessiert, vor einer hübschen
Frau eine gute Figur zu machen, als irgendwelchen flüchtigen
arabischen Weibern nachzuspüren, die mit verschleiertem Gesicht
die Bahnhöfe bevölkerten. Bahjat war Hamud dankbar,
daß er ausgerechnet Italien als neue Operationsbasis
gewählt hatte.
Nun löste sie die Gurte und erhob sich von ihrem Sitz. Sie
saß neben dem Gang, so daß sie in ihrer Bewegungsfreiheit
nicht behindert werden konnte. Ihr Necessaire in der Hand, schwebte
sie durch den Gang in Richtung Kombüse und Toiletten am unteren
Ende des Passagierabteils.
Einer der Stewards folgte ihr eiligst den Gang hinunter, indem er
sich an den Griffen entlanghangelte, die an den Seiten der Sitze
befestigt waren, wobei seine Füße kaum den mit Velcro
ausgelegten Boden berührten.
»Sie sollten nicht ohne Hilfe herumgehen, Miß«,
sagte er, seinen Tadel durch ein breites Grinsen mildernd, das sein
zerfurchtes Gesicht erhellte. Er war ein Rotschopf wie Dennis. Doch er hatte einen anderen Akzent. Vielleicht ein Australier? Es
war ziemlich gleichgültig. Du lebst, und er ist tot, dachte Bahjat, und Bitterkeit stieg in ihr auf.
»Ich will zur Toilette«, sagte sie.
Er nahm sie am Arm und achtete darauf, daß ihre
Füße fest auf dem Boden blieben. Bahjat ließ sich
nach achtern führen, und sie wußte, daß Marco
bereits in einer der Toiletten war, wo er seine Waffen
zusammensetzte. Der dritte im Bunde, Reynaud, stand in der
Kombüse und unterhielt sich mit den beiden Stewardessen, die am
Mikrowellenherd standen und den Imbiß für die Passagiere
aufwärmten.
Sobald sie einigermaßen in Sicherheit war und die Tür
hinter ihr ins Schloß fiel, holte Bahjat die Spraydosen aus
ihrem Necessaire. Es war einfach gewesen, das Haarspray zu entleeren
und die Dosen mit betäubendem Gas zu füllen. Kein
Zollbeamter, kein Detektor war in der Lage, den Unterschied
festzustellen.
Hamud hatte ihr versichert, daß das Gas nicht tödlich
wirkte, obwohl sie wußte, daß jemand, der ein schwaches
Herz besaß oder gegen gewisse Stoffe allergisch war, durchaus
daran sterben konnte. Sie betrachtete ihr Bild im Spiegel, der
über dem kleinen Metallwaschbecken hing und zuckte die Achseln. Wir sind für ihre Gesundheit nicht verantwortlich.
Sie blickte auf die Uhr. Noch 45 Sekunden. Ihr Gesicht im Spiegel
sah gespannt aus, um ihre Augen lagen wegen der Schlaflosigkeit
dunkle Ringe.
Jetzt fangen wir an, für deinen Tod mit gleicher
Münze zu bezahlen, mein Geliebter, sagte sie bei sich. Und
während sie wieder auf die Uhr schaute… Jetzt, jetzt
geht es los, in diesem Augenblick!
Bahjat öffnete die Tür im selben Augenblick, als Marco
aus dem anderen Waschraum trat. Sein dunkles, von Locken umrahmtes
Gesicht war gespannt, und er hielt in jeder Hand je eine Spraydose
fest umklammert. Reynaud, der sich rühmte, Eiswasser in den
Adern zu haben, erzählte dem Steward gerade einen Witz,
während die beiden Stewardessen mit zuhörten und
lachten.
Bahjat blickte den Gang entlang. Die Passagiere unterhielten sich,
lasen oder dösten, ausgenommen jenen blonden, athletisch
gebauten Mann, der seit dem Start wie gebannt auf die Mattscheibe
starrte. Er könnte uns Schwierigkeiten bereiten, dachte
Bahjat,
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