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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Bedienung zu. Sie kommt mit schlechten Nachrichten. Zu essen gibt es nur noch Getreidesuppe. Ich sage ihr, dass ich großen Hunger habe und ein Notfall bin. Na ja, für Notfälle habe sie noch etwas Roastbeef vorrätig, das sie aufwärmen könne. Ich bestelle beides, das Roastbeef und die Suppe. Beim Warten studiere ich die Bilder an der Wand, Schautafeln mit Tieren, auf altmodische Art illustriert, mit Tusche und Buntstift. »Jackrabbit« – ein Hase mit Löffelohren, »Mule Deer« – ein Hirsch, »Arizona Mountain Kingsnake« – eine prächtige Schlange. Daneben hängt eine ganze Tafel nur für Vögel. Es muss hier sehr viele Vogelarten geben.
    Der Mann am Ende des Raums trägt ein braunes Blouson aus irgendeinem wasserabweisenden Stoff und weiße Trainingsschuhe. Er hat etwas von einem Spaziergänger, der vom Weg abgekommen ist. Seine Suppe löffelt er mit dankbarer Sorgfalt, mit einer Demut wie ein gläubiger Mann. Als die Bedienung ihm Kaffee nachgießt, nennt er sie beim Namen: Rose. Sie tauschen irgendeinen harmlosen Scherz aus.
    Zwei dampfende Teller landen auf der Wachstischdecke vor mir: »Here you go, sir.« Wie Roastbeef sieht es nicht aus, dicke Batzen an Stelle der erwarteten rosafarbenen dünnen Schei ben, alles schwimmt in Sauce, dazu zerstampfte Kartoffeln und ein warmer Maiskolben auf einem Extrateller. Es schmeckt köstlich. Während der verirrte Spaziergänger zahlt und mir im Gehen mit eingezogenem Kopf noch einmal höflich zunickt, genieße ich jeden Bissen und kratze auch noch den letzten Rest Sauce vom Teller. Rose sieht es mit einem Lächeln. Ob ich noch einen Wunsch hätte? Ich frage sie, ob öfter Fremde hierher kämen. Oh ja, sagt sie. Es gäbe sogar ein paar vermietete Hütten im Canyon, für die Vogelbeobachter.
    »Vogelbeobachter?«
    »Ja, Vögel, dafür ist unsere Gegend berühmt.«
    Ich muss lachen.
    »Sie sind also nicht wegen der Vögel hier?«
    »Nein.«
    Sie will wissen, was ich hier mache, warum ich den ganzen Weg aus Tucson hergefahren sei. Einen Moment versuche ich, die richtige Begründung zu finden. Aber ich kenne sie nicht.
    »Ich habe gehört, dass es hier dunkel wird.«
    Sie sieht mich fragend an. »Nachts, meinen Sie?«
    »Ja, man kann hier viele Sterne sehen. Nicht?«
    Jetzt erhellt sich ihre Miene. »Mein Gott«, sagt sie. »Sie hätten mit Daniel sprechen müssen.«
    »Mit wem?«
    »Der Mann, der gerade hier war. Er kann ihnen alles über Sterne erzählen …«
    »Wissen Sie«, sage ich ein bisschen müde, »Ich bin ganz froh, wenn ich nicht so viele andere Sternleute treffe.«
    »Er ist so ein netter Mann«, fährt sie fort. »Leider ist seine Frau vor einem Jahr gestorben. Seitdem kommt er abends oft her.«
    »Das ist sicher nicht leicht. Hier draußen, ganz allein.«
    »Nein, er hat sich sehr zurückgezogen. Dabei lebte er vorher schon zurückgezogen.«
    Ich nicke verständig.
    »Früher sind oft andere Astronomen bei uns gewesen«, fährt sie fort. »Sie haben ihn besucht. Aber jetzt nicht mehr.«
    »Hm«, sage ich.
    »Er hat auch schon Artikel für die Zeitung geschrieben.«
    Ich zücke die Geldbörse und suche nach ein paar Scheinen. »Sagen Sie, gibt es von hier einen direkten Weg zurück zum Freeway?«
    »Sie können von hier der Hauptstraße folgen und den State Highway 80 nehmen. Damit geht es am schnellsten. Dann bleiben Sie nicht in der Gegend?«
    »Nein.«
    »Ich könnte ein paar Anrufe machen – vielleicht finde ich noch irgendwo ein Zimmer.«
    »Vielen Dank«, sage ich und stehe auf. »Ist wirklich nicht notwendig.«
    Portal verschwindet ebenso schnell in der Nacht, wie es gekommen ist. Die Hauptstraße führt aus dem Canyon hinaus ins offene Land. Meine Scheinwerfer streifen nichts als Büsche. Bis zum State Highway sind es höchstens zehn Meilen. Als die letzten Ausläufer der Berge in der Ebene versinken, gelange ich zu einer Abzweigung. Es ist nicht die Abzweigung, die ich suche. Nur ein Feldweg unter dem sternübersäten Nachthimmel. Am Rand des Wegs steht ein Straßenschild, ein Holzpflock mit einem von Hand beschrifteten Brett: »Comet Trail.« Ich kann mir denken, wer den Weg so genannt hat. Oben auf halber Höhe der Hügel brennen zwei einsame Lichter, ein grünes und ein rotes. Das muss sein Haus sein. Sie leuchten auf dem Kamm, wo das Dunkel der Berge auf die Lichter des Himmels trifft. Es ist kaum zu sagen, ob sie noch zu dieser oder schon zu jener Hälfte der Welt gehören.
    Eine Minute lang stehe ich mit laufendem Motor an der

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