Die Kometenjäger: Roman (German Edition)
jetzt angenehme fünfzig, sechzig Meilen die Stunde. Vor mir liegt die Straße als schnurgerade Linie zwischen Telegrafenmasten, die Felder auf beiden Seiten sind menschenleer. Weiße Stöckchen ragen tausendfach aus den Äckern, Salatbeete machen sich breit, und darüber verlaufen die langen Röhren der Beregnungsanlagen. Es ist unmöglich zu sehen, wie fern die Berge sind. Ohne eine einzige Kurve führt die Straße auf sie zu, scheint am Ende anzusteigen und sich dann in der klaren Ferne zu verlieren.
Portal und Paradise. Irgendetwas hat mich neugierig gemacht, ohne dass ich wüsste was. Es klingt wie ein Versprechen. Oder das Etikett einer Erinnerung, die sich nicht einstellen will. Als hätte ich die Namen schon einmal in dieser Verbindung gehört.
Bis die Felder aufhören dauert es lang, ein paar abgezäunte Grundstücke liegen noch am Wegesrand, ein Schrotthändler, dessen Hof mit rostfarbenen Oldtimern und einer alten Telefonzelle geschmückt ist, dann fallen auch diese verlorenen Reste zurück, und das Land wird wieder struppig und braun. Selbst die Telegrafenmasten sind nicht mehr da. Nur noch die lange Straße und der unveränderte Horizont. Die blauen Berge scheinen überhaupt nicht näher zu kommen, aber die Sonne steht hoch am Himmel, ich habe noch viel Zeit, ich könnte ewig so fahren. Plötzlich denke ich: Das ist es. Wie ein Bild, das ich überall gesucht habe. Es saugt einen auf, und man ist wehrlos dagegen. Als könnte man einen oft geträumten Traum endlich betreten.
Ich fahre weiter, und doch bleibt alles, wo es ist. Das Bild verändert sich überhaupt nicht mehr, die Berge bleiben immer gleich fern, nur die Straße verwandelt sich. Nach wenigen Meilen geht sie in eine braune Staubpiste über. Instinktiv versuche ich, einfach so weiterzurollen, den Traum nicht zu unterbrechen, aber es geht nicht, ich muss das Tempo drosseln, mein Wagen vibriert wie eine Waschmaschine im Schleudergang. Ich sollte mit einem Stadtauto nicht auf so einer Straße fahren. Ist Paradise überhaupt ein Ort? Auf der Karte ist nur dieser winzige Name eingetragen. Mir fällt auf, dass ich überhaupt kein Wasser mehr im Auto habe. Ich rieche den Staub der Straße, und mein Auto vibriert mehr, als dass es vorankommt. Mein Gesicht im Rückspiegel ist rot, die Wangen glühen. Es wäre ratsamer umzukehren, aber ich bin schon lange in diese Richtung gefahren, wieso umkehren, ohne zu wissen, was hinter den Bergen liegt. Ich halte an, um ein paar Fotos von den Bergen zu machen. Der Speicher meiner Kamera ist voll. Die Batterie gibt mir auch Warnzeichen. Es ist, als gingen alle meine Ressourcen gleichzeitig zur Neige.
Aus der Richtung, aus der ich gekommen bin, nähert sich ein staubiger Truck, der einen anderen Wagen abschleppt. Der Mann am Steuer sieht mich am Straßenrand stehen und hält an. Ein freundlicher Mann mit gegerbtem Gesicht, ein mexikanischer Cowboy. Er fragt, ob ich Hilfe bräuchte. Nein, aber führt diese Straße zu einem Ort? Portal liege da, bestätigt er. Als er davonfährt, fällt mir ein, ich hätte ihn nach Wasser fragen sollen. Man weiß nie.
Die Berge kommen näher, irgendwann jedenfalls. Als die Staubpiste die ersten Ausläufer erreicht, gabelt sie sich. Ein Pfeil nach links zeigt die Richtung nach Portal, neun Meilen Entfernung. Der andere Pfeil zeigt nach Paradise, sechs Meilen. Paradise ist zwar näher, aber der Mann hat es gar nicht erwähnt. Ich muss irgendwo Wasser kaufen, und die Sonne berührt jetzt die Gipfel im Westen. Ich überlege eine Weile – dann fahre ich in Richtung Paradise.
Die Hänge über mir leuchten, das warme Abendlicht überzieht die Granitklippen mit einem Firnis aus Gelb und Gold. Die Straße ist ein Saumpfad, immer entlang am Fuß der Berge, in ihrem Schatten kurvt sie nach Süden; rechts, von Westen her, schieben sich weitere Höhenzüge in mein Panorama. So fahre ich eine Weile zwischen den nahen Hügeln und der fernen Bergkette hindurch, bis mein Weg noch einmal ins Sonnenlicht führt. Und was für ein Anblick sich mir jetzt bietet: Über die gezackte Linie des Bergsattels im Westen fallen dunkelgelbe Strahlen in die Ebene, die wie ein abendlicher Garten vor mir liegt. Um mich wachsen Kissen aus Gras und Agaven und Feigenkakteen mit Armen aus herzförmigen Segmenten. Die fransigen Stämme der Yuccas werfen lange Schatten. Ich steige aus und gehe eine Weile in diesem fremden Garten umher wie ein neugieriger, unbeholfener Adam. Die gezackte Granitlinie im Westen glüht im
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