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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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wollte. Im Ergebnis wirkte das allerdings, als würde er den Flirt nicht bemerken, und das befeuerte nur Constanzes Ehrgeiz. Sie trieb ihr kokettes Spiel noch ein wenig weiter, wodurch es für alle anderen überdeutlich wurde und den Charakter einer Demonstration annahm.
    »Bei Vollmond schlafe ich sowieso schlecht«, seufzte sie.
    »Wirklich?«, sagte Tom.
    »Ja, da hilft nur Ausgehen.«
    »Da hinten ist der Zeitungstyp«, sagte Vera und stieß Constanze an, um Tom eine kurze Pause zu gönnen. »Wie heißt der noch mal?«
    »Jaja, habe ich schon bemerkt«, erwiderte Constanze.
    »Hat er schon irgendwas zu dir gesagt?«
    »Ach, der baggert doch immer nur.«
    »Was hat er noch mal über dich geschrieben?«
    »Irgendwas über die ›nächste Generation‹ und mein seismographisches Gespür für die ›Erschütterungen der Gegenwart‹« Constanze lächelte so überlegen, als habe sie Kritikerlob bereits nicht mehr nötig.
    »Aber das ist doch eigentlich sehr nett«, sagte Vera.
    »Es klingt großartig«, bemerkte ich. »Dafür dass es nur Jargon ist.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du dich für Kunst interessierst«, sagte Vera leise.
    »Tu ich ja auch nicht.«
    »He ihr da, seid friedlich«, sagte Constanze. Sie legte mir eine Hand auf den Arm. Ich fand die Geste hatte etwas Mütterliches.
    »Haben wir überhaupt schon mal über Kunst geredet?«, fragte ich Vera gereizt.
    »Aus guten Gründen nicht.«
    Plötzlich wandte sich Constanze an mich. »Vera hat gesagt, dass du selber zeichnest«, sagte sie.
    »Ja, ähm. Ich illustriere.«
    Auf ihrem schönen Gesicht zeigte sich ein wissendes Lächeln. »Na also, ein Techniker. Du hast ganz andere Kriterien.«
    Es erstaunte mich, dass Constanze so offen aussprach, was Künstler über den Kunstgeschmack von Illustratoren dachten.
    »Aber ich kann meine Kriterien schon überprüfen.«
    »Natürlich. Ich habe es nicht so gemeint.«
    »Ich habe nie gesagt, dass ich ein Künstler bin.«
    In diesem Moment meldete sich Tom zu Wort. »Ich mag das hier«, murmelte er leise und in einem Tonfall, der zeigte, dass er unserem Gespräch gar nicht zugehört hatte. Tom stand dicht an einem großformatigen Bild. Dort wo er hinsah waren nur ein paar flüchtig hingekrakelte Tannen mit schwarzen Stämmen und dunkelgrünen Ästen. Im Mittelpunkt des Tableaus war ein Mann mit einer Art Uniform zu sehen – es konnte ein SS-Offizier, aber genauso gut ein Zugbegleiter der Deutschen Bahn sein –, der von einem kleinen Berggipfel zu einer Herde gehörnter Dämonen – waren es Kühe? – sprach. »Hier ist das Schwarz der Tannenwipfel mit den Fingern gemalt, oder?«, fragte Tom und zeigte auf den nebensächlichen Ausschnitt in der Peripherie des Bildes. »Da zerläuft die Farbe leicht in Streifen. Und hier ist irgendein Tier. Die Farben laufen durch das Tier durch. Es sieht aus, als hätte es gestreiftes Fell. Ist das ein Reh?«
    Diesem Kommentar, der für uns bestimmt sein mochte oder auch nicht, hörten alle zu. Vera betrachtete Tom mit großen Augen, aber noch bemerkenswerter war die Veränderung, die mit Constanze vor sich ging. Sie schien zunächst zu überlegen, ob Tom überhaupt zu sprechen befugt war, aber dann begann sie über das ganze Gesicht zu strahlen, und darin war nichts Künstliches mehr. So etwas hatte ich noch nie an dieser Frau gesehen, und es beunruhigte mich zutiefst. Plötzlich kam es mir schäbig vor, dass ich gerade noch darüber nachgedacht hatte, ihr die subtile Kränkung heimzuzahlen. Als sie sich wieder zu Vera und mir umwandte, war etwas Rührendes in ihren Augen. Sie war wie ein Kind, das man gelobt hatte, als wollte sie »Seht ihr?« zu uns sagen. Der Zustand dauerte so lange an, bis er ihr bewusst wurde. Dann besann sich Constanze und fiel wieder in ihr altes Selbst zurück: »Was ist eigentlich dein Sternzeichen?«, fragte sie Tom.
    Später schnappten Tom und ich frische Luft im Hof hinter der Galerie. Er hatte sich auf den Rand eines Betonquaders gesetzt. Ich stand halb angelehnt daneben. Zarte Regenfäden fielen aus dem diesigen Himmelsquadrat über uns in mein halbvolles Weißweinglas.
    »Du magst sie nicht besonders, oder?«, fragte Tom.
    »Es geht«, sprach ich aus der Höhle meiner Parkakapuze. »Ich habe eigentlich nichts gegen sie. Vielleicht bin ich eher selber das Problem.«
    »Du hattest Grund, sauer zu sein«, sagte Tom. »Hat sie überhaupt jemals deine Sachen angesehen?«
    »Nein. Wieso sollte sie sich meine Sachen anschauen?«
    »Weil deine Sachen gut

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