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Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Die Kometenjäger: Roman (German Edition)

Titel: Die Kometenjäger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Deckert
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Drinks in der Kleidung. Worüber lachte sie, fragte ich mich. Ich hatte das dumme Gefühl, dass sie über das Wort Beziehung gelacht hatte.
    »Du meldest dich doch auch nicht, wenn du mit Tom was unternimmst.«
    »Halt ihn da raus«, zischte ich so laut, wie ich zischen konnte, ohne die Nachbarn aufzuwecken.
    »Was ist denn überhaupt los mit dir? Spinnst du?«
    »Du weißt doch genau, was ich bei Tom mache«, sagte ich und stellte mein leeres Glas auf den Tisch. »Das kann man gar nicht mit euch vergleichen, mit dir und Constanze.«
    »Das klingt jetzt aber gefährlich, Philipp.« Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und bückte sich. Ein Schuh flog in die Ecke. »Willst du anfangen, spießig zu werden?«
    »Wann, wenn nicht jetzt? Ich gehe auf die dreißig zu.«
    »Dann los. Du bist auf einem guten Weg.«
    Ich betrachtete sie misstrauisch von oben bis unten. »Wie kommst du überhaupt mit deiner Arbeit voran?«
    »Oh Gott.« Ihre Stimme begann in den tiefen Lagen zu kratzen. Sie war doch ein wenig betrunken. »Seit wann kümmerst du dich um den Stand meiner Arbeit?«
    »Lassen wir das Thema.« Ich winkte ab. Ich witterte den Streit.
    »Du hast doch keine Ahnung!«, rief Vera.
    »Ja, ich habe keine Ahnung. Gut!«
    »Du hast doch überhaupt keine Ahnung.«
    »Also gut, ich habe überhaupt keine Ahnung«, schrie ich so laut, dass sie zusammenschreckte, und feuerte mein Glas an die Wand.
    »Philipp …«
    »Dann sag mir doch, wie ich mich verhalten soll. Sag mir, warum du jede Nacht mit dieser arroganten Kuh rumziehst. Und sag mir, was ich machen muss, damit wir mal wieder einen Abend zusammen verbringen!«
    »Ich will gerade keinen Abend mit dir verbringen.«
    »Was?«
    Sie stand immer noch im Türrahmen. Ihr Lächeln war verschwunden. Sie schien selbst überrascht von dem, was sie gesagt hatte, und nun konnte ich sehen, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    »Es bringt mir gerade nichts«, sagte sie.
    Eine Stille trat ein.
    Da ich nichts mehr sagte, begann sie von neuem: »Wir streiten uns ja nur, oder wir schweigen uns an. Das hat so keinen Sinn … Seit einem Jahr. Ich denke seit einem Jahr …« Man konnte sehen, wie es in ihr arbeitete. Sie sprach jetzt nur noch weiter, um die Härte ihrer Worte zu mildern. Aber was sie sagen musste, hatte sie ja schon gesagt. Und alles Weitere, was sie mir danach noch sagte, im Sitzen, in der Küche vor dem Kühlschrank, im Bad, im Stehen vor der Garderobe, war nur noch eine Variation dieses: »Ich denke seit einem Jahr …«. Eine halbe Stunde später fuhr ich nach Hause.
    Vera meinte es ernst. Sie hatte beschlossen, dass wir eine »Pause brauchten«. Mir hatte noch nie ein Mädchen eine Pause vorgeschlagen. Aber so viele Mädchen hatte ich ja auch nicht gekannt, vor Vera.
    »Denkst du nicht, dass wir das noch mal bereuen?«, fragte ich sie, als wir uns das nächste Mal trafen, in einem Café.
    Sie wischte sich eine Träne ab, die einzige auf ihrer Wange, und sah mich an, wie sie mich oft angesehen hatte, wenn ich Unsinn redete.
    Erst nach diesem Treffen im Café, in der folgenden Nacht, stellte sich der Schmerz ein. Ich hatte vergessen, wie er sich anfühlt, dieser tatsächlich körperliche Schmerz in der Kehle, der die Luft abschnürt. Es war ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Ich konnte mir noch so oft sagen, dass es so hatte kommen müssen, dass wir nicht mehr zusammenpassten. Dass ich mehr an ihr hing, als dass ich sie liebte. Der Schmerz war wieder da, und er wollte es mich spüren lassen: Vier Jahre. Beendet nicht mit einem Knall. Beendet mit einer »Pause«.
    Wenigstens der Beistand meiner Freunde war mir sicher. An den ersten paar Tagen rief ich viele an, um ihnen mein Herz auszuschütten, und alle unterstützten mich. Auch sie hatten ja bemerkt, wie Vera sich verändert hatte. Wie schwierig, wie anspruchsvoll, wie unduldsam, ja gemein sie geworden war. Selbst Tobi Niermann war es aufgefallen – was hieß, dass im Grunde ich der Letzte war, der es bemerkt hatte.
    Was mein Freund Ulrich Holstein darüber dachte, wusste ich nicht, denn wir sprachen nicht viel, wir konsumierten nur weiche Drogen. Für ein paar Tage kam ich bei ihm unter, im Gartenhaus auf dem Grundstück seiner Eltern. Tagsüber schrieb er Bewerbungen an englische Universitäten. Nachts standen wir bekifft auf dem Rasen, und die Zweige über meinem Kopf kamen mir vor wie Risse in der Decke der Nacht, ich hatte das Gefühl, dass sie aus scharfkantigem Papier bestünden. Das Geräusch

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